Elke Quodt

Wenn es ein Lebensmittel gibt, das von allen Fachleuten für Ernährung uneingeschränkt als gesund bewertet wird, dann ist es das Olivenöl. In allen Ernährungsphilosophien hat Olivenöl einen hohen Stellenwert und das seit etwa 6000 Jahren. Bis heute verzichtet keine moderne Ernährungsweise, sei es Keto, Paleo oder LCHF Ernährung, Vegan oder Vegetarisch, auf die Vorzüge von Olivenöl. Unzählige Studien haben den hohen gesundheitsfördernden Wert von Olivenöl bewiesen.

So weit so gut. Nur – Olivenöl ist nicht gleich Olivenöl. Der Betrug, der mit Olivenöl betrieben wird, bestätigt durch zahlreiche Skandale, ist grenzenlos und der Verbraucher ist hoffnungslos überfordert, wenn er vor dem Regal steht. Und das nicht nur im Supermarkt – auch im Feinkostladen, im Bioladen und sogar im Fachhandel ist die Auswahl und die Verwirrung groß. Der Verbraucher und der Verkäufer kennen ein paar Schlagwörter, an denen sie sich orientieren, etwa solche wie „kaltgepresst“, „handgepflückt“, „sortenrein“, “prämiert“ „extra nativ“ oder „bio“, die im verwirrenden Dschungel der zahllosen Olivenöle vermeintlich Orientierung geben.

Damit ihr euch in Zukunft mit eurem Olivenöl-Kauf sicher fühlen könnt, möchte ich euch nun im Folgenden Aufklärung und Orientierung geben:

Zuerst gehe ich auf ein paar Schlagwörter ein, die ich oben schon erwähnt habe und die bei der Bewertung von Olivenöl immer wieder auftauchen, euch aber nicht automatisch zu einem hochwertigen Öl führen:

Kaltgepresst: Mit diesem Begriff werden leider immer noch heftig Kunden geködert. Kaltgepresst wird seit hundert Jahren jedes Olivenöl. Seit Erfindung der Hydraulischen Presse wird nicht mehr heiß (über 27 Grad) gepresst. Genauso verhält es sich mit der sogenannten „Erstpressung“. Mehrere Pressungen gibt es seit Urzeiten nicht mehr. Feine Nuance: Qualitätsproduzenten versuchen unter 25 Grad zu bleiben – der Qualität zuliebe.
In modernen Mühlen wird nicht mehr gepresst, sondern mittels Decanter unter Sauerstoffentzug durch Zentrifugen extrahiert. Wenn man weiß, dass ein auf Extra Vergine geprüftes Olivenöl die Kalt-Zentrifugierung voraussetzt, wird dieser „Qualtätsbegriff“ noch mehr zur Farce.

Handgepflückt: Klingt zwar sehr romantisch, meditativ, traditionell und natürlich, führt nur leider nicht zu einem hochwertigen Olivenöl. Der Grund: Es dauert viel zu lange, bis die Oliven alle vom Baum sind. Im Moment, wenn die Olive unverletzt vom Baum gepflückt wird, läuft die Uhr. Innerhalb weniger Stunden muss die Ernte des Tages zu Öl verarbeitet werden. Das ist niemals durch Handernte zu schaffen. Die modernste Methode ist zwar unromantisch, für ein hochwertiges Öl allerdings unumgänglich. Der Baumrüttler lässt den Baum kurz vibrieren, damit die Oliven in das ausgelegte Netz oder einen Schirm fallen. Das geht ruckzuck und garantiert keinen Zeitverlust.

Sortenrein:Leider auch pures Marketing. Es kommt nicht auf die Sorte an. Es gibt tausende Olivensorten. Kein Mensch kann eine Sorte er-schmecken. Der Geschmack eines Olivenöls wird durch den Zeitpunkt der Ernte, die Geschwindigkeit der Ernte und durch die Feinjustierung bei der Zentrifugierung erreicht. Wenn Sorten gemischt werden – was die Regel ist, da in einem Hain meistens mehrere Sorten gepflanzt sind – ist es nur wichtig, dass alle Oliven in etwa den gleichen Reifegrad haben, nämlich noch grün bis lila sind.

Prämiert: Es gibt unzählige Olivenöle, die Jahr für Jahr mit tollen Preisen und Medaillen prämiert werden. Leider sind diese Auszeichnungen kein Garant für die Qualität eines Öls. Mittlerweile hat es sich herumgesprochen, dass es sich auch in diesem Bereich um ein Geschäftsmodell handelt, ähnlich wie bei Alarmanlagen-Zertifikaten im Versicherungswesen.

Biologischer Anbau: Ein Olivenöl, das biozertifiziert ist, erfüllt ein einziges, wenn auch wichtiges Kriterium: Es enthält keine Chemie. Darauf könnt ihr euch verlassen. Nur wie sieht es mit „Extra Vergine“ aus, was mit Sicherheit auf dem Etikett steht? Ihr werdet es weiter unten erfahren.

Extra Vergine: Mit diesem Begriff wird der größte Schwindel betrieben. Inflationär steht praktisch auf jeder Olivenölflasche „Extra Vergine“ oder zu deutsch „Extra Nativ“. Leider ist diese Kategorie höchster Güte nicht vom Gesetzgeber geschützt. Dies gilt auch für biologisch zertifizierte Öle. Auch hier gibt es unzählige schwarze Schafe auf dem Markt. Apropos schwarz: Wenn die Olive sich im Verlauf ihrer Reifung schwarz verfärbt, ist sie bereits so oxidiert, dass niemals ein extra natives Olivenöl gewonnen werden kann. Das jedoch ist genau der Reifegrad, wenn 95% aller Hersteller ernten. Der Grund ist, dass der Ertrag mit diesen reifen Oliven um das 4-5 fache höher ist, als zu einer sehr frühen Ernte Anfang Oktober, wenn die Olive noch grün bis lila ist und ein Spitzen-Öl verspricht. Gerade bei den Bio-Oliven ist man entsetzt, wenn man sieht, was alles in der Mühle landet. Was nach Abfall aussieht, steht als Bio-Öl ein paar Monate später im Bioladen-Regal. Qualität spielt keine Rolle. Auf dem Etikett steht allemal „Extra Vergine“.

Nun aber der sichere Weg zum ehrlichen und hochwertigen Olivenöl:

Wie schon erwähnt, ist die Biozertifizierung ein Garant, dass der Hain ohne chemische Mittel gepflegt wird. Um allerdings sicherzustellen, dass es sich bei dem Olivenöl eurer Wahl um ein Öl höchster Güte handelt, müsst ihr auf der Website des Herstellers das Dokument des Labors vorfinden, das die aktuelle Biozertifizierung und die aktuelle Extravergine Zertifizierungbestätigt.

Etwa 30 Werte (u.a. Polyphenole, freie Fettsäuren, Peroxid-Zahl, K-Werte, Vitamin E, Fettsäureprofil) werden im Labor untersucht, die alle ohne Gnade im grünen Bereich liegen müssen, um die Prüfung zu bestehen. Darüber hinaus wird das Öl von einem Verkoster-Gremium (Panel) sensorisch geprüft. Erst dann erhält das Olivenöl den ersehnten Höchste-Güte-Stempel.

Leider sind es bei den Bio-Olivenölen nur 2% und bei den andern nur 5%, die „Extravergine“ auf dem Etikett und in der Flasche haben. Es ist also angeraten, wirklich zu recherchieren, was die Laborberichte aussagen. Ein aktueller Laborbericht, einsichtig für den Kunden, ist die einzige Möglichkeit, die der aufrichtige Öl-Bauer hat, um sich von der Masse der unehrlichen Hersteller abzuheben. Und eines ist sicher: Wer dieses Prädikat erfüllt, will auch, dass der Kunde das erfährt.

Herstellung des Spitzen-Olivenöls: Ein hochwertiges Olivenöl herzustellen ist keine Selbstverständlichkeit und mit hohen Kosten verbunden. Viele Faktoren spielen eine Rolle. Der Zeitpunkt der Ernte muss sehr früh sein. Die Olive soll gerade ihre Farbe von grün zu lila wechseln. Das ist meist Anfang Oktober schon soweit. Die Ernte muss rasend schnell gehen – jeder Tag das gleiche Prozedere. Von 5Uhr morgens bis 14Uhr Olivenernte, dann rasch zur Bio-Mühle und am frühen Abend muss das Öl aus dem Hahn fließen. So läuft jeder Tag ab, bis alle Oliven geerntet sind. Einfacher ist es (und so wird es von den meisten gemacht), alle Oliven zu ernten und nach Tagen die Mühle aufzusuchen. Nur – solch ein Öl kann keinem Labortest standhalten.

Foto: Olivenernte für prodotti-amano Olivenoel

Das frische zentrifugierte Olivenöl kommt sofort in einen Edelstahlsilo und lagert dort unter Sauerstoffentzug etwa sechs Wochen, damit sich die Sedimente absetzen können. Dann muss das Öl in der Biozertifizierten Mühle abgefüllt werden – natürlich in dunklen Flaschen. Die Lagerung danach soll kühl und dunkel sein.

Das Mindesthaltbarkeitsdatum ist auch eine ganz spezielle Sache und sagt leider nicht sehr viel über den Zustand des Öles aus. Vorschrift ist, dass es nicht später als 18 Monate nach der Abfüllung liegen darf. Nur – ein minderwertiges Olivenöl, oder ein Olivenöl in hellen, durchsichtigen Flaschen kann durchaus schon viel früher ranzig werden. Auch ein Öl, das nicht kühl und dunkel gelagert wird, kann früher schlecht werden.

Vice versa kann ein hochwertiges Öl durchaus nach Ablauf des Haltbarkeitsdatums noch super stabil sein und gut und gerne noch ein Jahr länger halten. Die Haltbarkeit hängt vor allem von den Polyphenolen (Antioxidantien) ab.

Die kostbaren Inhaltsstoffe von EVOO (extra virgin olive oil): Die sekundären Pflanzenstoffe schützen zu allererst den Baum und seine Blätter und Früchte vor eventuellen Feinden wie Parasiten, Pilzen und Insekten. Je mehr Polyphenole dann durch die frühe Ernte und die schnelle Verarbeitung sich im Olivenöl befinden, desto haltbarer ist das Öl. Die Höhe der Polyphenole spielt auch für den gesundheitlichen Aspekt eine große Rolle. Je mehr Polyphenole im Öl sind, um so besser trägt das Öl zum Schutz vor freien Radikalen bei (Herzgesundheit, Immunsystem). Die Vorschrift für ein extra natives Olivenöl: Mindestens 250mg/kg Polyphenole.

Weiterhin liefert ein Spitzenöl jede Menge Vitamin E und Provitamin A. Die einfach ungesättigten Fettsäuren tragen dazu bei, den Cholesterinhaushalt in der Balance zu halten. Im Gegensatz dazu die mehrfach ungesättigten Fettsäuren (Samenöle wie Leinöl , Distelöl oder Sonnenblumenöl), die zwar Cholesterin senkend wirken, aber auch das wichtige HDL senken. Dabei sei auch erwähnt, dass diese Öle sehr schnell ranzig werden und nicht erhitzt werden dürfen, wenn sie nicht raffiniert worden sind.

Eine oft gestellte Frage ist die Erhitzbarkeit von Olivenöl. Viele meinen, dass hochwertiges Olivenöl „zu schade“ zum Braten sei oder gar, dass es nicht erhitzt werden dürfe. Beides ist falsch. Olivenöl besitzt eine einzige Doppelbindung (daher der Begriff: einfach ungesättigt) und ist daher wesentlich weniger oxidationsgefährdet als Fettsäuen mit 2 oder 3 Doppelbindungen (mehrfach ungesättigt). Siehe oben. Der Sauerstoff findet bei Olivenöl nur einen Angriffspunkt. Die hohe Zahl der Polyphenole verstärken zudem die Widerstandskraft des Öls gegen oxidative Schäden. Das heißt, je mehr Polyphenole das Öl besitzt, desto höher kann man es erhitzen. So sind 200°C für ein hochwertiges extra vergine Olivenöl völlig vertretbar. Vom Erhitzen minderwertiger Olivenöle rate ich allerdings wirklich ab. Der Rauchpunkt bei solch einem Öl ist schon bei viel niedriger Temperatur erreicht. Transfette sind dann vorprogrammiert.

Zu guter Letzt – wie schmeckt denn nun ein hochwertiges Olivenöl?

Eines der höchsten Ziele der Olivenölproduzenten sollte es sein, so viel Polyphenole wie möglich ins Öl zu retten. Je höher dieser Polyphenolwert ist, desto schärfer ist der Geschmack des Öls. Habt Ihr schon einmal in eine Olive gebissen, die direkt vom Baum kommt? Dann wisst ihr, warum ein hochwertiges Öl scharf und etwas bitter schmeckt und ein gewünschtes Kratzen im Hals auslöst. So soll es sein!
Milde Olivenöle sind schon stark oxidiert und tragen nichts zu einer gesunden Ernährung bei. Der Duft von Olivenöl ist frisch, nach grünem Gras. Hochwertiges Olivenöl ist samtig am Gaumen.

Was sagt der Preis eines Olivenöls aus?

Der Verbraucher muss sich im Klaren sein, dass ein hochwertiges Olivenöl nicht billig hergestellt werden kann. Die korrekte Pflege von Olivenhainen ist sehr aufwendig und Kosten intensiv. Der Ertrag im frühen Oktober ist nur etwa ein Viertel des Ertrages zwei – drei Monate später, wenn die Oliven bereits schwarz und somit oxidiert sind. Genau dann ernten die allermeisten Olivenbauern. Im Umkehrschluss dazu ist leider ein hochpreisiges Olivenöl nicht automatisch hochwertig. Nur das aktuelle Zertifikat für Biologischen Anbau und das aktuelle Jahrgangs-Zertifikat für das Gütesiegel „Extra Vergine“ garantieren, dass ihr ein Produkt erworben habt, das seinen Preis wert ist.

Und wenn ihr dann so ein kostbares und köstliches Olivenöl gefunden habt, genießt es in Fülle. Es ist ein echtes Superfood, es passt zu nahezu allen Speisen und bringt mit seinem einzigartigen Geschmack das gewisse Etwas, das i-Tüpfelchen und jede Menge Gesundheit auf euren Teller.

 

Elke Quodt, Prodotti Amano

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Beitragsbild: von Steve Buissinne auf Pixabay

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