Es war ein langer Weg, den Dr. Dale Bredesen in der Alzheimer-Forschung zurückgelegt hat: Er arbeitete jahrelang als Wissenschaftler und studierte sterbende Gehirnzellen, Fruchtfliegen mit „Alzflymer“ und transgene Mäuse mit „Mouzheimer“. Aber seine Anträge für klinische Studien, die den Nachweis der Wirksamkeit seiner Forschungskonzepte am Patienten belegen könnten, wurden erstmals 2011 und erneut 2018 abgelehnt. Stattdessen publizierte er 2014, 2016 und 2018 Behandlungserfolge seiner Patienten. Schließlich erhielt er 2019 die Zulassung zur Durchführung einer klinischen Studie, die dann im letzten Jahr abgeschlossen werden konnte.  

Jetzt liegen endlich die Ergebnisse für diese besondere Studie vor, die einen grundlegend anderen Ansatz verwendet und das Drehbuch für klinische Studien umdreht: Anstatt eine Behandlung im Voraus festzulegen, wurden hier erst die Ursachen von Alzheimer und Prä-Alzheimer, die zum kognitiven Verfall beitragen, bei jedem Patienten identifiziert und diese individuell und somit gezielt behandelt. In dieser Studie werden also tiefere Tauchgänge in die Genetik und Biochemie jedes Patienten gemacht, um das optimale Protokoll für jeden einzelnen abzuleiten. In dieser präzisionsmedizinischen Studie arbeitete Dr. Bredesen mit drei Integrativ-Medizinern, Kat Toups, Ann Hathaway und Deborah Gordon, zusammen.

Bis dato waren pharmakologische Ansätze zur Behandlung von Alzheimer fast einheitlich erfolglos, mit über 400 gescheiterten klinischen Studien. Die wenigen kleinen Erfolge (z.B. Memantin) haben leider keine nachhaltigen Verbesserungen gebracht. Zum Beispiel zeigte die aktuell als positiv dargestellte Studie für den Medikamentenkandidaten Donanemab, ein monoklonaler Antikörper gegen Beta-Amyloid-Proteine, weder eine kognitive Verbesserung noch eine Stabilisierung der Demenz, sondern lediglich eine Reduktion der Progressionsrate um etwa ein Drittel (siehe Abbildung).

Bredesen-Studie  

Somit liegt hier bei neurodegenerativen Erkrankungen wie Alzheimer das größte Versagen medizinischer Behandlungen vor: in den USA geht man derzeit davon aus, dass etwa 45 Millionen Amerikaner an Alzheimer sterben werden, wenn keine wirksame Behandlung und Prävention entwickelt wird. Vor diesem Hintergrund erscheinen die Ergebnisse dieser neuen klinischen Studie von Dr. Bredesen, die in medRxiv, einer von der Yale-Universität unterstützten Website für Gesundheitswissenschaften, als Preprint veröffentlicht werden, nahezu beispiellos (siehe Abbildung). 

Das Studiendesign: Dr. Bredesens Studie umfasste 25 Teilnehmer im Alter von 50 bis 76 Jahren, die alle mit leichten kognitiven Einschränkungen (Prä-Alzheimer) oder Demenz im Frühstadium diagnostiziert waren. Jeder Patient wurde auf vorhandene Risikofaktoren wie Entzündung, Insulinresistenz, Nährstoff- und Hormonmangel, spezifische Krankheitserreger, Belastung mit (Bio-)Toxinen sowie auf seine Genetik getestet und dann mit einem personalisierten Protokoll behandelt, das neun Monate lang fortgesetzt wurde. Die Behandlung der mutmaßlichen Ursachen des kognitiven Verfalls mit ähnlichem funktionalem Medizinansatz hat bereits zu Veröffentlichungen von „Fallstudien“ geführt, aber im Gegensatz dazu ist dies die erste prospektive klinische Studie. 

Das Ergebnis: Unter den Studienteilnehmern verbesserten sich 21 (84%) signifikant, einer zeigte keine Veränderung (4%) und drei verschlechterten sich (12%). Die Verbesserung wurde mit Hilfe von verschiedener kognitiven Testverfahren kontrolliert. Weiterhin ergänzten bildgebende Verfahren wie MRT des Gehirns die Ergebnisse dieser kognitiven Testbatterie. Sie zeigten, dass die Schrumpfung des Gehirns, die typischerweise bei Demenz auftritt, verhindert wurde und somit parallel mit der Verbesserung der Kognition einhergeht. 

Diese äußerst vielversprechenden Ergebnisse belegen, dass die Identifizierung der Faktoren, die bei jedem Patienten zum kognitiven Abbau beitragen, und deren Behandlung mit einem personalisierten Protokoll ein wirksames Therapiekonzept für Patienten mit Prä-Alzheimer oder früher Demenz darstellt. Diese kleine Studie rechtfertigt weiterhin eine größere, randomisierte, kontrollierte Folgestudie, welche bereits in Arbeit ist. Wir werden Sie über ihren Fortgang auf dem Laufenden halten, damit Sie weiterhin bestens informiert und auf dem neuesten Stand der klinischen Alzheimer-Forschung sind! 

Für weitere Informationen rund um das Bredesen-Protokoll schauen Sie auch gerne hier bei ‚Kompetenz statt Demenz‘ nach. 

Fazit: 

Nach dem Versagen sämtlicher medikamentöser Monotherapien in klinischen Studien zeigt diese prospektive klinische Studie des multifaktoriellen Ansatzes nach Dr. Dale Bredesen erstmals überzeugende Ergebnisse: bei 84 % der Patienten kam es zu Verbesserungen der Symptomatik, zu verbesserten Ergebnissen in kognitiven Tests und zu einer Volumenvergrößerung der grauen Substanz im MRT. Die Ergebnisse bieten eine echte Hoffnung für Millionen von Patienten mit Demenz oder leichter kognitiver Beeinträchtigung, aber auch für diejenigen, die aufgrund einer familiären Vorgeschichte durch Demenz gefährdet sind. 

Referenzen

  1. https://clinicaltrials.gov/ct2/show/study/NCT03883633 
  2. MA Mintun, AC Lo, CD Evans, Ph.D., AM Wessels, et al. Donanemab in Early Alzheimer’s Disease (2021). N Engl J Med; 384:1691-1704. DOI: 10.1056/NEJMoa2100708 
  3. K Toups, A Hathaway, D Gordon, H Chung, C Raji, A Boyd, BD. Hill, S Hausman-Cohen, M Attarha, WJ Chwa, M Jarrett, DE Bredesen (2021). medRxiv preprint May 11, 2021 doi: https://doi.org/10.1101/2021.05.10.21256982 

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Beitragsbild: geralt auf Pixabay.

Der Artikel erschien im Original im Newsfeed des Projektes Kompetenz statt Demenz.

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