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Es ist seit langem bekannt, dass der menschliche Körper nicht steril ist, sondern großflächig von Bakterien besiedelt ist. Ebenso ist es keine Neuheit, dass Bakterien im Labor oftmals aus planktonischer Sicht behandelt werden, in der Realität jedoch meist Biofilme vorliegen1. Planktonische Bakterien sind jene, die sich homogen – also vom gleichen Typ - und in freier Suspension befinden, bakterielle Biofilme stellen hingegen eine heterogene, mehrzellige Gemeinschaft dar, die von einer selbst gebildeten Matrix umgeben ist. Im Gegensatz zur planktonischen Form profitieren Bakterien als Teil des Biofilms von einer Gemeinschaft, einem Austausch von Stoffwechselendprodukten, genetischer Information sowie von zusätzlichem Schutz durch die Matrix, die für den Großteil gängiger Medikamente kaum bis gar nicht durchlässig ist2.
Für die Therapie einer Vielzahl vor allem chronisch-entzündlicher Erkrankungen ergibt sich eine neue Herausforderung und damit einhergehend ein dringend notwendiger Perspektivenwechsel, der sowohl die Diagnostik als auch die Therapie betreffen dürfte.
Inhaltsverzeichnis:
Häufigkeit und Lokalisation bakterieller Biofilme
Wie Perry & Tan3 eindrücklich zusammenfassen, können Biofilme praktisch überall auftreten. Von Urogenital- und Verdauungstrakt über den dentalen Bereich bis hin zum respiratorischen Trakt und einzelnen weiteren Organen – bakterielle Biofilme sind lange keine Seltenheit und werden auch bei gesunden Personen beobachtet.
Da es den Rahmen dieses Artikels sprengen würde, alle diese Biofilme zu betrachten, wollen wir uns heute auf einen Bereich konzentrieren: den Gastrointestinaltrakt, der bereits eine bemerkenswerte mikrobielle Vielfalt aufweist.
Der Blick auf die Prävalenz von Biofilmen des Gastrointestinaltrakts hat einen ernüchternden Effekt: Bei gesunden Probanden konnten je nach Studie und Studienpopulation in 6-35 Prozent der Fälle ein Biofilm im Gastrointestinaltrakt gefunden werden4,5,6. Bei Personen mit Reizdarmsyndrom (irritable bowel syndrome = IBS), familiärer adenomatöser Polyposis (FAP) oder auch Colitis ulcerosa hingegen lag die Prävalenz bakterieller Biofilme bei nunmehr bis zu 50 Prozent oder sogar darüber, je nach Studienpopulation. Von einer reinen Korrelation lässt sich kaum noch reden – die Pathogenität dieser Biofilme scheint mehr als naheliegend.
Pathogenität bakterieller Biofilme
Dies vermuteten auch Dejea et al. und überprüften diese Hypothese daher mit einer Analyse der dominanten Stämme der Biofilme von FAP-Patienten. FAP ist eine autosomal-dominante Erkrankung mit erhöhtem Risiko für die Entwicklung von kolorektalen Karzinomen (Karzinome des Dickdarms, Grimmdarms und Mastdarms) schon in jüngeren Jahren.
Bei Patienten mit FAP waren besonders zwei Stämme dominant, die potentiell krebsfördernde Gene verstärkt exprimieren und damit zur Entstehung kolorektaler Karzinome beitrugen4. Die Verbindung zwischen Darmflora und Neoplasien (abnormales und übermäßiges Wachstum von Gewebe) im Gastrointestinaltrakt ist schnell hergestellt, wie auch Drewes et al.7 zeigen.
Auch was entzündliche Erkrankungen wie Colitis ulcerosa angeht, scheinen die vorhandenen Bakterien des Biofilms eine Rolle bei der Krankheitsentstehung und -progression zu spielen.
Herausforderungen der Therapie von Biofilm-assoziierten Erkrankungen
Wie es zu erwarten ist, bringt ein so komplexes Gebiet eine Reihe neuartiger Probleme für die Formulierung eines therapeutischen Ansatzes einer Vielzahl an Erkrankungen, die mit Biofilm assoziiert werden.
Darunter fallen beispielhaft:
- Antibiotika-Resistenzen
- Schlechtere Wirksamkeit antibiotischer Substanzen aufgrund der Matrix
- Eingeschränkte Diagnostizierbarkeit
- Immunevasion (Immunflucht), ein Vorgang, bei dem Pathogene mithilfe von Mutation oder spezifischen Mechanismen einer Erkennung oder Abwehr durch das Immunsystem entgehen
- Noch nicht vollständig verstandene Formation des Biofilms
- Potenziell Verbreitung im Sinne der Metastasierung (Bakterien lösen sich ab, bewegen sich planktonisch fort und bilden einen neuen Biofilm)
Lösungsansätze zur Behandlung des Biofilms reichen von Nanopartikelformulierungen über Bakteriophagen bis hin zu matrixzersetzenden Wirkstoffen. Eine Freisetzung der Bakterien und ihrer Stoffwechselprodukte aus dem Biofilm kann allerdings in einigen Fällen mit einer akuten Erhöhung von Lipopolysacchariden (LPS), bakteriellen Antigenen und allgemein proentzündlichen Faktoren einhergehen. Eine Therapie gestaltet sich also mitunter als schwierig und mit Nebenwirkungen behaftet.
Speziell den Darm betreffend gibt es jedoch Ansätze, die darauf abzielen, den Biofilm vollständig abzulösen, die Matrix dabei intakt zu belassen und so die Anzahl der Nebenwirkungen zu reduzieren.
Biofilm des Gastrointestinaltrakts: Ballaststoffe als Interventionsmöglichkeit
Im Darm treffen wir auf den glücklichen Fall, den Biofilm mittels Nahrung zumindest mäßig beeinflussen zu können. Einige Ballaststoffe werden in den Biofilm aufgenommen, quellen hier auf und führen zu einer starken Volumen- und Gewichtszunahme des Biofilms. Die dadurch entstehende Kraft auf die Adhäsionsmoleküle der Matrix kann stark genug sein, um den Biofilm abzulösen.
Ballaststoffe, die dafür genutzt werden, müssten allerdings stark quellend und schleimend sein, beispielsweise Okrapulver und Ölpalmfasern. Weiterhin muss auf anderweitige feste Nahrung verzichtet werden, um den mechanischen Prozess, der im Darm abläuft, nicht zu unterbrechen. Stattdessen sollte besonders auf die ausreichende Zufuhr von Wasser geachtet werden, um das Aufquellen und Schleimen der Ballaststoffe ohne Probleme möglich zu machen.
Mit einer mehrtägigen Anwendung sollte dann eine Ablösung des mit Fasern angereicherten Biofilms möglich sein. Als potenzielle Lösung, zumindest für den Darm, scheint diese Variante von Vorteil gegenüber anderen Methoden zu sein.
Fazit: Bakterielle Biofilme – eine neue Herausforderung für die Therapie
Dieser kurze Überblick über das Thema Biofilm zeigt zur Genüge, vor welch einer Herausforderung die Wissenschaft und der praktizierende Arzt oder Therapeut aktuell stehen. Vorher nicht vermutete, unbedachte Szenarien scheinen Realität zu sein und lassen dringlichen Handlungsbedarf erkennen. Zumindest im Bereich des Gastrointestinaltrakts scheint es einen sinnvollen Lösungsansatz zu geben, der für andere Biofilme jedoch nicht relevant ist.
Es bleibt weiterhin spannend um das Thema Biofilm und die möglicherweise großen Einflussmöglichkeiten auf die allgemeine Gesundheit sowie die krankhaften Veränderungen im menschlichen Körper.
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Quellen:
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Drewes, J. L., White, J. R., Dejea, C. M., Fathi, P., Iyadorai, T., Vadivelu, J., Roslani, A. C., Wick, E. C., Mongodin, E. F., Loke, M. F., Thulasi, K., Gan, H. M., Goh, K. L., Chong, H. Y., Kumar, S., Wanyiri, J. W., & Sears, C. L. (2017). High-resolution bacterial 16S rRNA gene profile meta-analysis and biofilm status reveal common colorectal cancer consortia. Npj Biofilms and Microbiomes, 3(1), 1–12. https://doi.org/10.1038/s41522-017-0040-3
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Hobley, L., Harkins, C., MacPhee, C. E., & Stanley-Wall, N. R. (2015). Giving structure to the biofilm matrix: an overview of individual strategies and emerging common themes. FEMS Microbiology Reviews, 39(5), 649–669. https://doi.org/10.1093/femsre/fuv015
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Swidsinski, A., Weber, J., Loening-Baucke, V., Hale, L. P., & Lochs, H. (2005). Spatial organization and composition of the mucosal flora in patients with inflammatory bowel disease. Journal of Clinical Microbiology, 43(7), 3380–3389. https://doi.org/10.1128/jcm.43.7.3380-3389.2005
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