Florian Schilling

Der Stellenwert des Darm-Milieus, insbesondere des intestinalen Mikrobioms, wird in der Medizin nach wie vor erheblich unterschätzt – entgegen dem aktuellen Forschungsstand. Zahlreiche Untersuchungen belegen, dass die Zunahme der altersbedingten Morbidität aufs engste mit einer Abnahme der Mikrobiom-Qualität korreliert [1]. Quasi alle, in Industrienationen häufig auftretenden, chronischen Krankheiten gehen mit einem gestörten Mikrobiom einher [2], darunter gravierende und lebensverkürzende Prozesse wie Krebs, Herzkreislauf- und Autoimmunerkrankungen, Alzheimer sowie Diabetes.

In aller Munde und doch oft unentdeckt: Das Reizdarmsyndrom

Mögliches Warnzeichen in Bezug auf ein gestörtes Mikrobiom: das allseits bekannte Reizdarmsyndrom (IBS, Irritable Bowel Syndrome) – dessen Häufigkeit seit Jahrzehnten ansteigt. Inzwischen ist, je nach Erhebung, jeder vierte von Reizdarm betroffen [3]. IBS ist technisch eine Ausschlussdiagnose, darf also erst gestellt werden, wenn alle anderen in Frage kommenden körperlichen Ursachen ausgeschlossen wurden. Aus dieser Logik ergibt sich, dass u.a. mikrobielle und immunologische Faktoren als Ursachen nicht in Erwägung gezogen und stattdessen nicht selten eine psychosomatische Entstehung vermutet wird.

Stand der Wissenschaft ist aber, dass eine komplexe Gemengelage aus Mikrobiomabweichungen, latenten Entzündungsprozessen, Nahrungsmittelunverträglichkeiten und gestörten Signalwegen für IBS verantwortlich ist [4]. Akzeptiert man nun den Gedanken, dass Mikrobiom-Störungen erstens häufig und zweitens ein Brandbeschleuniger für vorzeitiges Altern und schwere chronische Erkrankungen sind, ergibt sich automatisch die Frage, wie ein gesundes Mikrobiom erreicht werden kann. Lange Zeit lag hier das Augenmerk auf Probiotika, der Zufuhr von Lebendkeimen. Diese haben v.a. nach akuter Schädigung des Mikrobioms, z.B. durch Antibiose, Darminfekte oder Chemotherapie (Quantitatives Defizit) ihren Stellenwert, versagen aber häufig beim Umbau eines chronisch gestörten Mikrobioms (Qualitatives Defizit).

Nachhaltige Mikrobiomveränderung gelingt dagegen nur über Substratlenkung, also das Was, das dem Mikrobiom als Nahrungsgrundlage angeboten wird.

Praxistipps: Gesunde Ernährung leicht gemacht

Die Eckpfeiler einer diesbezüglich gesunden Ernährung sind bekannt: wenig Zucker, moderat Protein, reichlich Ballaststoffe. Typische Ernährungskonzepte, die diese Punkte abdecken, sind Mediterrane Ernährung und Paläo-Diät. Als absolut fatal hat sich die hierzulande meist-praktizierte Ernährung erwiesen, die „Western Diet“: Fleisch- und Zuckerreich, ballaststoffarm, prozessierte Lebensmittel und Zusatzstoffe.

Auch die konventionelle Lebensmittelproduktion wirkt sich – u.a. durch Antibiotika und Pestizide wie Glyphosat – negativ auf unser Mikrobiom und Darmmilieu aus [5]. Für viele Menschen mit gestörtem Mikrobiom stehen daher, um langfristig erfolgreich zu sein, nicht unerhebliche Veränderungen ihrer Essgewohnheiten an. Zu den genannten Grundlagen kommt noch eine individuelle Prüfung auf Lebensmittelunverträglichkeiten hinzu – seien sie entzündlicher Natur (IgE- und/oder IgG-Antikörper) oder durch Intoleranzen bedingt (z.B. Lactose, Fructose, Gluten).

Identifizierte Problem-Lebensmittel müssen über Monate, manchmal lebenslang vermieden werden. Dennoch: So wichtig eine Ernährungsumstellung langfristig ist – initial wird sie gerade in schweren Fällen nicht ausreichen, um eine großangelegte Wende einzuleiten. Hier werden entsprechend effektive Werkzeuge benötigt und an dieser Stelle kommen Präbiotika der neuesten Generation ins Spiel.

Präbiotika und Nukleotide – Die Geheimzutaten für einen gesunden Darm

Präbiotika arbeiten neben Funktionszuckern (Tagatose und Galactose) mit Nukleotiden und ermöglichen auf dieser Basis eine deutliche effektivere sowie schnellere Mikrobiom-Modulation. Tagatose pflegt insbesondere Gärungskeime, z.B. Lactobazillen und Bifidobakterien, und schränkt gleichzeitig das Wachstum häufig zu findender Fäulniskeime ein (u.a. Prevotella und Fusobakterien) [6].

Darüber hinaus stellt Tagatose die potenteste verfügbare Butyrat-Vorstufe dar – die Königsklasse kurzkettiger Fettsäuren (SCFA). Butyrat stabilisiert die Permabilität der Darmbarriere (Stichwort Leaky Gut), es versorgt und stimuliert die glatte Muskulatur des Darms (Stichworte Peristaltik, Darmträgheit und Obstipation), wirkt intestinalen Entzündungen entgegen [7] und ist in hohem Maß mitotrop, fördert also die Pflege und Neubildung unserer Mitochondrien [8].

Insbesondere bei Diabetes konnten weitere metabolische Benefits identifiziert werden, u.a. Normalisierung der Blutfette und Senkung des HbA1c [9].

Galactose wirkt auf dieser Ebene synergistisch: Aktivierung der Mitochondrien und Fettverbrennung sowie Hemmung der Zuckervergärung [10]. Man könnte die beiden als dynamisches Duo bezeichnen, ihr paralleler Einsatz ist auch in hartnäckigen Fällen von Mikrobiomstörung, Obstipation und IBS äußerst effektiv – und in Form des TagaMix [11] (MITOCare) problemlos umsetzbar.

Was gerne vergessen wird: Bakterien benötigen, analog zu menschlichen Zellen, für ihre Reproduktion und damit für ihr Wachstum Nukleotide. Fehlen diese elementaren Bausteine des Lebens, verläuft eine Mikrobiom-Modulation sehr zäh oder frustran. Leider weisen gerade chronisch Kranke und ältere Menschen häufig niedrige Nukleotidspiegel auf. Deren Zufuhr über die Nahrung ist nicht gänzlich unproblematisch: Nukleotid-reiche Lebensmittel sind eher unbeliebt und tierischen Ursprungs (v.a. Innereien), ihre Assimilation im Darm ist anspruchsvoll und häufig limitiert (< 10 %) [12].

Zwar ist die Eigenproduktion dieser Metabolite im Stoffwechsel möglich, aber ebenfalls komplex, material- und energieaufwändig; Alter und Vorerkrankungen wirken sich auch hier sehr negativ aus. Insofern liegt die Zufuhr von außen nahe, die damit verbundenen positiven Effekte konnten mittlerweile in zahlreichen Studien bestätigt werden. Lokal im Darm sind dies insbesondere Entzündungshemmung, Mikrobiom-Stabilisierung und die verbesserte Regeneration der Darmschleimhaut [13] – wichtige Aktivposten insbesondere bei Leaky Gut. Aber auch systemisch sind die Benefits enorm: Steigerung der Immunfunktion (insbesondere im Alter wichtig, Stichwort Seneszenz) [14], der Energieproduktion (ATP und GTP bestehen v.a. aus Nukleotiden) [15], der Mitochondriendichte [16] und antioxidativen Schutzsysteme (u.a. SOD, GPX) [17] sowie allgemein die Verlangsamung der Zellalterung.

Neueste Forschungsergebnisse zeigen, dass die drastisch verminderte Nukleotidsynthese ein wesentlicher Faktor der Zellalterung ist – der sich durch ihre exogene Zufuhr kompensieren lässt. Insofern liegt es mehr als nahe, bewährte Präbiotika mit Nukleotiden zu versehen, um diesen enorm effektiven Aktivposten zu integrieren. Dies wurde in Form von Flora Total [18] (MITOCare) verwirklicht, dem ersten Breitband-Präbiotikum mit hohem Nukleotidanteil. Alternativ kann z.B. der Taga Mix durch Nukleotidzugabe in seiner Wirkungsweise erweitert werden, ein Vorgehen das durch Nukleotide Pulver [19] (MITOCare) ermöglicht wird. Rundet man diesen Ansatz mit verdauungsfördernden Pflanzenextrakten und fokussierter Probiotik ab (z.B. mittels Dysbiosan [20]), ergibt sich eine beeindruckende synergistische Wirkung. Die Kombination aus bewährten pflanzlichen Wirkstoffen, Funktionszuckern und Nukleotiden läutet eine neue Ära der Mikrobiom-Therapie und Darmsanierung ein, zu einem Zeitpunkt da wir diesen Ansatz mehr denn je benötigen.

Quellen:

  1. REQUENA, T. & VELASCO, M. 2021. The human microbiome in sickness and in health. Rev Clin Esp (Barc), 221, 233-240.
  2. VIJAY, A. & VALDES, A. M. 2022. Role of the gut microbiome in chronic diseases: a narrative review. European Journal of Clinical Nutrition, 76, 489-501.
  3. ONLINE, G. L. (2022) ‚Reizdarmsyndrom – Symptome, Diagnostik, Therapie | Gelbe Liste‘, Available: https://www.gelbe-liste.de/krankheiten/reizdarmsyndrom (Accessed 13.11.2022).
  4. HOLTMANN, G. J., FORD, A. C. & TALLEY, N. J. 2016. Pathophysiology of irritable bowel syndrome. The Lancet Gastroenterology & Hepatology, 1, 133-146.
  5. SENEFF, S., SWANSON, N. & LI, C. 2015. Aluminum and glyphosate can synergistically induce pineal gland pathology: connection to gut dysbiosis and neurological disease. Agric Sci 06: 42–70.
  6. LU, Y. & LEVIN, G. V. 2002. Removal and prevention of dental plaque with d-tagatose. International Journal of Cosmetic Science, 24, 225-234.
  7. SEGAIN, J.-P., DE LA BLÉTIÈRE, D. R., BOURREILLE, A., LERAY, V., GERVOIS, N., ROSALES, C., FERRIER, L., BONNET, C., BLOTTIÈRE, H. M. & GALMICHE, J.-P. 2000. Butyrate inhibits inflammatory responses through NFκB inhibition: implications for Crohn’s disease. Gut, 47, 397-403.
  8. WALSH, M., BHATTACHARYA, A., SATARANATARAJAN, K., QAISAR, R., SLOANE, L., RAHMAN, M., KINTER, M. & REMMEN, H. 2015. The histone deacetylase inhibitor butyrate improves metabolism and reduces muscle atrophy during aging. Aging cell, 14.
  9. ENSOR, M., WILLIAMS, J., SMITH, R., BANFIELD, A. & LODDER, R. A. 2014. Effects of Three Low-Doses of D-Tagatose on Glycemic Control Over Six Months in Subjects with Mild Type 2 Diabetes Mellitus Under Control with Diet and Exercise. J Endocrinol Diabetes Obes, 2, 1057.
  10. AGUER, C., GAMBAROTTA, D., MAILLOUX, R. J., MOFFAT, C., DENT, R., MCPHERSON, R. & HARPER, M.-E. 2011. Galactose enhances oxidative metabolism and reveals mitochondrial dysfunction in human primary muscle cells. PloS one, 6, e28536.
  11. MITOCARE (2022d) ‚Taga Mix‘, Available: https://mitocare.de/products/taga-mix (Accessed 11.11.2022).
  12. HE, Y., SANDERSON, I. R. & WALKER, W. A. 1994. Uptake, Transport and Metabolism of Exogenous Nucleosides in Intestinal Epithelial Cell Cultures. The Journal of Nutrition, 124, 1942-1949.
  13. CARVER, J. 1999. Dietary nucleotides: effects on the immune and gastrointestinal systems. Acta Paediatrica, 88, 83-88.
  14. GIL, A. 2002. Modulation of the immune response mediated by dietary nucleotides. European Journal of Clinical Nutrition, 56, S1-S4.
  15. XU, M., LIANG, R., LI, Y. & WANG, J. 2017. Anti-fatigue effects of dietary nucleotides in mice. Food & nutrition research, 61, 1334485.
  16. BUENO, J., TORRES, M., ALMENDROS, A., CARMONA, R., NUNEZ, M. C., RIOS, A. & GIL, A. 1994. Effect of dietary nucleotides on small intestinal repair after diarrhoea. Histological and ultrastructural changes. Gut, 35, 926-33.
  17. HU, L., PENG, X., QIN, L., WANG, R., FANG, Z., LIN, Y., XU, S., FENG, B., WU, D. & CHE, L. 2018. Dietary nucleotides supplementation during the suckling period improves the antioxidative ability of neonates with intrauterine growth retardation when using a pig model. RSC advances, 8, 16152-16160.
  18. MITOCARE (2022b) ‚Flora Total‘, Available: https://mitocare.de/products/flora-total (Accessed 13.11.2022).
  19. MITOCARE (2022c) ‚Nukleotide Pulver‘, Available: https://mitocare.de/products/nukleotide-pulver (Accessed 13.11.2022).
  20. MITOCARE (2022a) ‚Dysbiosan‘, Available: https://mitocare.de/products/dysbiosan (Accessed 14.11.2022).

Über den Autor

Florian Schilling (*1981) absolvierte nach dem Abitur zunächst den vorklinischen Abschnitt des Medizinstudiums an der LMU in München. Anschließend machte er eine Heilpraktiker-, Homöopathie- und TCM-Ausbildung.

2006 eröffnete er eine Praxis mit den Schwerpunkten Neuroinflammation & Integrative Onkologie. 2018 ging er dann als Program Director zum Esperance Center des Bumrungrad Hospital nach Bangkok. Dort beschäftigte er sich mit der Forschung und modernsten Behandlungen in der Krebstherapie. 2020 übernahm er die wissenschaftliche Leitung von MITOcare.

Er ist ein gefragter Fachreferent, Dozent und Autor zahlreicher wissenschaftlicher Publikationen.

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