Die Frage nach dem guten Leben treibt die Menschheit von jeher um. Bereits 300 v. Chr. erdachte und erprobte der antike Philosoph Epikur die Bausteine eines Lebens in Zufriedenheit und Glück. Zwei Langzeit-Studien von Harvard-Wissenschaftlern belegen nun Anfang des 21. Jahrhunderts, dass der oft als Hedonist (Lebenskünstler) verklärte Philosoph alles andere als falsch lag.

Oft gilt der griechische Philosoph Epikur von Samos als Vordenker der Hedonisten. Unter Zeitgenossen war er verschrien, gerade die Stoiker sahen in Epikur vor allem einen Trunkenbold und Rüpel und ließen keine Gelegenheit aus, den philosophischen Konkurrenten in Ungnade fallen zu lassen. Schon im antiken Griechenland gab es ein Pendant zur heutigen „Cancel Culture“.

Doch untersucht man die Lehre und Lebenspraxis Epikurs genauer, fällt auf, dass dieser keineswegs unkontrollierte Ausschweifungen predigte. Im Gegenteil: Genügsamkeit, maßvoller Genuss und Gemeinschaft standen im Zentrum von Epikurs Philosophie. Materiellen Reichtümern wurde kein besonderer Stellenwert beigemessen.

Den Freuden des Lebens war Epikur nicht abgeneigt. Doch anders als von seinen Gegnern meist zu Felde geführt, sprach sich der Philosoph mitnichten für den Exzess aus:

So halten wir die Genügsamkeit für ein großes Glück, nicht, weil wir uns beständig mit wenigem begnügen wollen, sondern damit wir froh bleiben, wenn nur weniges vorhanden ist, in der sicheren Überzeugung, dass dem der Überfluss am besten schmeckt, der seiner am wenigsten bedarf.

Um das gute Leben auch tatsächlich in die Tat umzusetzen, um das Glück zu finden, gründete Epikur den Kepos (Garten), eine philosophische Schule und Lebensgemeinschaft in der – für diese Zeit äußerst fortschrittlich – auch Frauen willkommen und Teil der Gruppe waren.

Dort notierte Epikur auch Sätze wie:

Von allen Dingen, die das Glück des Lebens ausmachen, schenkt die Freundschaft uns den größten Reichtum.

Epikur war überzeugt: Glücklich ist nur, wer zufrieden ist mit dem, was er hat. Wer aber nach Unerreichbarem strebt, wer Macht, Reichtum und Ansehen, oder gar die Unsterblichkeit anstrebt, ist zum Unglück verdammt.

Sind dies lediglich Leit-Sätze eines antiken Phantasten, der sich mit den Seinen in ein gemütliches Refugium zurückgezogen hat oder steckt mehr hinter diesen Erkenntnissen?

Aktuelle Auswertung zweier Langzeit-Studien von Wissenschaftlern der US-amerikanischen Harvard-Universität zeigen, dass der antike Denker und Praktiker sehr nahe an einer allgemeingültigen Glücksformel war und dass Epikurs Rezept für das gute Leben noch heute von Relevanz sein kann.

Über 75 Jahre lang befragten die Wissenschaftler einmal 724 und einmal 268 Amerikaner, was für sie Glück bedeutet [1]. Auch wenn im Laufe der Untersuchung zahlreiche Studienteilnehmer verstorben sind, bieten die Erhebungen einen einzigartigen Langzeit-Blick auf die Lebenspläne, Erwartungen, Ziele und schlussendlich auf die Zufriedenheit einer größeren Zahl von Menschen.

Eines der zentralen Ergebnisse der Studie wirkt wie die Übersetzung des oben zitierten Leitspruches Epikurs:  

Gute Beziehungen machen uns glücklicher und gesünder. Punkt.

, so Robert Waldinger, einer der Studienleiter, der die Ergebnisse seiner Forschung auch in diesem Vortrag präsentiert:

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Auch eine stabile Liebesbeziehung ist – nun wissenschaftlich belegt – einer der Hauptfaktoren für ein gesundes und glückliches Leben.

Wer hingegen lange Phasen seines Lebens in Einsamkeit verbringt, läuft nicht nur Gefahr seelisch unglücklich zu werden, auch das Risiko physischer Erkrankungen ist bei einsamen Menschen weitaus höher. Ein Grund wohl auch, warum sich Epikur mit Gleichgesinnten in seinem Kepos versammelte, anstatt sein Leben alleine und still in der Studierstube zu verbringen, wie viele andere Philosophen. Auf die heutige Zeit übersetzt formuliert Harvard-Studienleiter Waldinger diese Erkenntnis wie folgt:

Wie wäre es, die Zeit, die man vor dem TV verbringt, einfach mit anderen Menschen, guten Freunde zu verbringen?

Was bedeuten diese Erkenntnisse für eine moderne, menschliche Medizin?

In einem jüngst veröffentlichten Essay griff die Deutsche Stiftung für Gesundheitsinformation und Prävention [2] ganz ähnliche Erkenntnisse bereits auf. Und auch in der Akademie für menschliche Medizin sind wir überzeugt davon, dass jene Abläufe, die wir als Öko-Psycho-Somatik bezeichnen und die weit gefassten Lebensumstände zusammenfassen, einen entscheidenden Einfluss nicht nur auf persönliches Glück und Zufriedenheit, sondern auch auf die physische Gesundheit haben.

Anders als die Labormedizin es postuliert, stehen wir für eine lebensstil-orientierte Medizin, welche nicht lediglich Symptome mit immer weiter ausgefeilten Technologien behandeln will, sondern nach den tatsächlichen Ursachen von Krankheiten forscht und diese behebt.

Bis ins Jahr 300 v. Chr. zurück reichen diese Erkenntnisse, aber auch neueste Studien bestätigen die Richtigkeit dieses Weges, der nicht zuletzt auch im direkten Widerspruch zur aktuell häufig gelebten sozialen Isolation steht.

Fazit

Es könnte sich lohnen, öfter einmal einen Blick in die Geschichte zu werfen, anstatt immer nur den neuesten Nachrichten hinterher zu hetzen. Gerade auch wenn es um die Fragen von Gesundheit und Glück geht. Machen Sie sich auf die Ursachensuche - auch im persönlichen Umfeld - nach toxischen Einflüssen und verloren gegangenen Schutzfaktoren und werden Sie „Ihres Glückes Schmied”.

Quellen

[1] https://news.harvard.edu/gazette/story/2017/04/over-nearly-80-years-harvard-study-has-been-showing-how-to-live-a-healthy-and-happy-life

[2] https://dsgip.de/downloads/essay-spitzen-gesundheit

Beitragsbild: fancycrave1 auf Pixabay

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