Ein Gastbeitrag von Haroon Ahmad, Geschäftsführer Food Sensor GmbH

Gesunde Ernährung kann krank machen – warum wir oft in die falsche Richtung schauen

„Iss dein Gemüse, das ist gesund!“ Wer hat diesen Satz nicht schon gehört? Die Botschaft sitzt tief: Bestimmte Lebensmittel sind gesund, andere ungesund – so einfach ist das. Doch was, wenn genau dieses vermeintlich „gesunde“ Essen krank macht?

Tatsächlich können auch Lebensmittel mit den besten Gesundheitsversprechen chronische Entzündungen auslösen – das unsichtbare Fundament vieler Volkskrankheiten. Gelenkbeschwerden, Migräne, Herz-Kreislauf-Probleme oder sogar psychische Erkrankungen: Die Ursache könnte weniger im Lebensstil als vielmehr in unserem Immunsystem liegen. Genauer gesagt: in chronisch ablaufenden Entzündungskaskaden [1].

Die unerkannte Gefahr der „Silent Inflammation“

Millionen Menschen erleben es täglich: Müdigkeit, Kopfschmerzen, Verdauungsprobleme – Symptome, die oft diffus bleiben. Schuld daran können unentdeckte Immunreaktionen durch Nahrungsmittel sein. Und hier wird es spannend: Anders als bei klassischen Allergien, die sofortige Reaktionen hervorrufen, arbeitet der Körper im Verborgenen. Bestimmte Lebensmittel lösen unterschwellige Entzündungen aus, die sich über Jahre aufstauen und zur tickenden Zeitbombe werden. Denn anders als die oftmals für den Gesundungsprozess notwendigen akuten Entzündungen sind chronische Entzündungen eher kontraproduktiv [2].

Das Fatale: Diese Reaktionen treten nicht nach wenigen Minuten auf, sondern mit Verzögerung – Stunden oder sogar Tage später. Dadurch erkennen wir den Zusammenhang oft nicht. Wer würde schon seinen morgendlichen Joghurt für die Gelenkschmerzen am Abend verantwortlich machen?

Wie eine Immunreaktion zur Entzündung wird

Der Mechanismus hinter diesen Reaktionen ist längst bekannt: Bestimmte Nahrungsbestandteile passieren die geschädigte Darmwand (Leaky Gut), gelangen in den Blutkreislauf und werden dort vom Immunsystem als „Eindringlinge“ bekämpft [3]. Das Problem: Statt harmlos zu bleiben, bilden sich Immunkomplexe aus Antikörpern (vor allem IgG1, IgG2 und IgG3) und den fremden Proteinen. Diese aktivieren das Komplementsystem – einen Teil der Immunabwehr, der eigentlich zur Bekämpfung von Krankheitserregern gedacht ist [4].

Name Anteil Halbwertzeit Komplementaktivierung
IgG1 66 % 21 Tage Zweithöchste
IgG2 23 % 21 Tage Dritthöchste
IgG3 7 % 7 Tage Höchste
IgG4 4 % 21 Tage Keine
Tabelle 1: Verteilung, Halbwertzeit und Entzündungspotential von IgG-Subklassen (Quelle: FoodSensor GmbH)

Das Resultat? Chronische, unterschwellige Entzündungen, die mit der Zeit die Grundlage für eine Vielzahl von Erkrankungen bilden. Besonders heimtückisch: Diese „Silent Inflammation“ bleibt oft unbemerkt, weil sie so lange keine akuten Beschwerden verursacht – bis der Körper irgendwann nicht mehr kann.

Schade und fatal zugleich ist, dass ärztliche Fachgesellschaften seit Jahrzehnten alle Unverträglichkeitstests völlig undifferenziert betrachten und ihnen schlecht geprüft jegliche Relevanz absprechen [5]. IgG4-Tests, Gesamt-IgG-Tests, DAO- und Histamintests werden in einen Topf geworfen und kategorisch abgelehnt. Gleichzeitig sind 20 Millionen (!) Menschen überzeugt davon, bestimmte Lebensmittel nicht zu vertragen, während die Fachgesellschaften von drei Millionen ausgehen [6]. 17 Millionen also, die an einer kollektiven Wahrnehmungsstörung leiden? Schwer zu glauben. Eine Studie der Universität Frankfurt zeigt, dass 54 % aller in Deutschland lebenden Menschen an mindestens einer chronischen Erkrankung leiden [7]. Hieraus ergibt sich ein dramatischer Handlungsbedarf. Höchste Zeit also, die ablehnende Haltung gegenüber Alternativen zu hinterfragen und gemeinsam an einem Strang zu ziehen.

Das Ernährungsmärchen: „One fits all“ gibt es nicht

Die Idee, dass es eine pauschal „gesunde“ Ernährung gibt, ist überholt. Denn was für den einen gesund ist, kann für den anderen eine latente Belastung sein. Der Körper entscheidet – nicht das Marketing der Lebensmittelindustrie.

Und genau hier liegt das Problem: Die meisten Ernährungsempfehlungen ignorieren diese individuelle Komponente völlig. Während die Wissenschaft längst weiß, dass unerkannte Entzündungen ein Schlüsselfaktor für chronische Erkrankungen sind, wird die Rolle der Ernährung in diesem Zusammenhang unterschätzt. Und doch: Selbst erfahrene Therapeutinnen und Therapeuten fokussieren sich oft auf die Behandlung von Symptomen statt auf die Ursachenforschung.

Die Lösung: Raus aus der -Ernährung im Blindflug

Einfach mal auf Verdacht Gluten, Milch oder Eier weglassen? Keine gute Idee. Statt blind Lebensmittel auszutauschen, sind gezielte Tests notwendig. Denn nur so lässt sich herausfinden, ob und welche Nahrungsmittel das Immunsystem wirklich triggern.

Dank moderner Labordiagnostik können Immunreaktionen im Blut nachgewiesen werden. Die Tests liefern entscheidende Hinweise darauf, welche Lebensmittel Entzündungen auslösen. Die gute Nachricht: Wer die „stillen Brandherde“ in seiner Ernährung identifiziert und die passenden Stellschrauben dreht, kann seinen Körper aus der Daueralarm-Bereitschaft holen – oft mit erstaunlichen Ergebnissen.

Auszug aus einer wissenschaftlichen Arbeit von Food Sensor aus dem Jahr 2016 zeigt den Rückgang von /gG-Titern unter konsequenter Eliminationsernährung von Casein und Eiklar bei einer Patientin.

Bild 1: Auszug aus einer wissenschaftlichen Arbeit von Food Sensor aus dem Jahr 2016 zeigt den Rückgang von /gG-Titern unter konsequenter Eliminationsernährung von Casein und Eiklar bei einer Patientin. (Quelle: FoodSensor GmbH)

Fazit

Die Ernährung der Zukunft ist individuell

Chronische Krankheiten sind auf dem Vormarsch, und doch behandeln wir sie, als lebten wir im letzten Jahrhundert. Die medizinische Forschung zeigt immer deutlicher, dass stille Entzündungen ein Schlüsselfaktor für zahlreiche Volkskrankheiten sind – doch noch immer wird die Bedeutung individueller Nahrungsmittelreaktionen unterschätzt.

Wir leben in einer Welt, in der Ernährung häufig in „gesund“ oder „ungesund“ kategorisiert wird. Dabei zeigt die Realität: Es gibt keine universell gesunden Lebensmittel, sondern nur solche, die unser Körper individuell gut oder schlecht verträgt. Während für den einen Vollkornprodukte, Milch oder Soja wertvolle Nährstoffe liefern, lösen sie bei den anderen unerkannten Entzündungen aus, die langfristig zur Belastung werden.

Der entscheidende Punkt: Die herkömmliche Betrachtung von Ernährung und Gesundheit greift zu kurz. Es reicht nicht aus, allgemeine Empfehlungen zu befolgen oder sich nach Trends zu richten. Was wirklich zählt, ist das, was im Körper passiert – und das ist individuell. Statt auf Vermutungen oder radikale Diäten zu setzen, sollten wir systematisch vorgehen - ohne Dogmen und Hintergedanken.

Die gute Nachricht: Wer seine „stillen Brandherde“ identifiziert, kann oft erstaunliche Fortschritte erleben – mehr Energie, weniger Beschwerden, ein gesünderes Leben. Ernährung der Zukunft bedeutet deshalb nicht Dogmen, sondern Daten.

Über den Autor

Haroon Ahmad ist Geschäftsführer der Origem Medical Gruppe, die sich mit ihren Tochterunternehmen auf die Entwicklung von ernährungsmedizinischer Labordiagnostik und Therapeutika spezialisiert hat. Nahrungsmittelunverträglichkeiten, Darmgesundheit, Prävention und die Behandlung chronischer Symptome spielen dabei eine herausragende Rolle.

Quellen

  1. Pall, M. L. 2007: Explaining “Unexplained Illnesses”: Disease Paradigm for Chronic Fatigue Syndrome, Multiple Chemical Sensitivity, Fibromyalgia, Post-Traumatic Stress Disorder, Gulf War Syndrome, and Others. Routledge, 1st Edition, ISBN: 078902389X
  2. Havard Medical School (2020, 1. April). Understanding acute and chronic inflammation. Havard Health Publishing https://www.health.harvard.edu/staying-healthy/understanding-acute-and-chronic-inflammation (abgerufen am 27.09.2023)
  3. Lacerda, J. F. et al. 2021. Functional Food Components, Intestinal Permeability and Inflammatory Markers in Patients with Inflammatory Bowel Disease. Nutrients. Feb; 13(2):642.
  4. Hoffmann, G. et al. 2014. Komplementsystem und Komplementdefekte. Pädiatrie. Jul 25:738–743. https://doi.org/10.1007/978-3-642-41866-2_77
  5. Kleine-Tebbe, J. et al. 2009. Keine Empfehlung für IgG- und IgG4- Bestimmungen gegen Nahrungsmittel. Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Allergologie und klinische Immunologie (DGAKI), des Ärztever-bandes Deutscher Allergologen (ÄDA), der Gesellschaft für Pädiatrische Allergologie und Umweltmedizin (GPA), der Österreichischen Gesellschaft für Allergologie und Immunologie (ÖGAI) und der Schweizerischen Gesellschaft für Allergologie und Immunologie (SGAI) nach Übernahme des Task Force Report der European Academy of Allergology and Clinical Immunology (EAACI). Allergo J 18:267-73.
  6. Bevölkerungsrepräsentative Umfrage. Lebensmittelunverträglichkeiten (2015, 17. Juni). Umfrage: Jeder dritte Bundesbürger leidet an Nahrungsmittelunverträglichkeiten. Die Schwenninger Krankenkasse; https://www.vividabkk.de/de/presseportal/pressemitteilungen/pressedetails/studie-jeder-dritte-bundesbuerger-leidet-an-nahrungsmittelunvertraeglichkeiten (abgerufen am 27.09.2023)
  7. Güthlin. C. et al. 2020. Chronisch krank sein in Deutschland. Zahlen, Fakten und Versorgungserfahrungen, Frankfurt am Main, Deutschland: Institut für Allgemeinmedizin an der Goethe-Universität Frankfurt, https://publikationen.ub.uni-frankfurt.de/frontdoor/index/index/docId/55045

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