Helena Schwarz

Die Ernährung wird zunehmend als wichtiger Faktor für die Prävention und Behandlung neuropsychiatrischer Störungen anerkannt. Die mehrfach ungesättigten Omega-3-Fettsäuren Eicosapentaensäure (EPA) und Docosahexaensäure (DHA), die vor allem in fettem (möglichst unbelastetem) Seefisch vorkommen bzw. in Form von Fisch- oder Algenöl zugeführt werden können, spielen eine entscheidende Rolle bei der neuronalen Zellfunktion und Neurotransmission sowie bei Entzündungs- und Immunreaktionen, die wiederum an neuropsychiatrischen Krankheitszuständen beteiligt sind.

Zahlreiche Studien haben sich inzwischen mit der Wirkung von Omega-3-Fettsäuren in Bezug auf häufig vorkommende neuropsychiatrische Erkrankungen beschäftigt. Die Wissenschaftler Reimers & Ljung haben die verfügbaren Studien zu diesem Thema gesichtet und berichten in ihrem Review (2019) über folgende Tendenzen:

Depressionen

Eine große Anzahl epidemiologischer Studien und Interventionsstudien (sowie mehrere Meta-Analysen) zeigen starke Belege für einen Zusammenhang zwischen dem Omega-3-Status und Depressionen. Ein niedriger Fischkonsum und ein niedriger Omega-3-Index korrelierten in den Erhebungen mit einem höheren Risiko, eine Depression zu entwickeln. Verschiedene Studien fanden eine umgekehrte Korrelation zwischen der ernährungsbedingten Einnahme von Omega-3-Fettsäuren und der Schwere der depressiven Symptome einschließlich Suizidalität. 

Schizophrenie

Menschen mit Schizophrenie weisen einen ausgeprägten Mangel an essentiellen Fettsäuren auf, insbesondere einen Mangel an Arachidonsäure (AA) und Docosahexaensäure (DHA). Während verschiedene placebo-kontrollierte Interventionsstudien positive Auswirkungen einer Omega-3-Supplementierung bei Menschen mit Schizophrenie zeigten, gab es in anderen Studien nur leichte oder keine positiven Effekte. Die mehrdeutige Studienlage könnte laut Reimers & Ljung auf die recht kurze Dauer (8-12 Wochen) der betrachteten Studien zurückzuführen sein, da nachhaltige Veränderungen in den Membranfunktionen längere Zeit benötigen. 

Die bisher einzige placebokontrollierte Langzeitstudie (6 Monate) mit schizophrenen Patienten mit einer ersten Episode, ergab in der Omega-3-Gruppe eine signifikant stärkere Abnahme der Intensität der Symptome und eine verbesserte Funktionsfähigkeit im Vergleich zur Placebogruppe.

ADHS

Studien zeigen, dass ein ernährungsbedingter Mangel an Omega-3-Fettsäuren während der fetalen Entwicklung und frühen Kindheit nachteilige Auswirkungen auf die Gehirnentwicklung haben kann: So korreliert eine niedrige mütterliche Aufnahme von Omega-3 Fettsäuren während der Schwangerschaft mit einer geringeren verbalen Intelligenz, ADHS, Legasthenie, Dyspraxie, Autismus und beeinträchtigtem Sozialverhalten beim Kind. Kinder mit ADHS wiesen in Studien niedrigere Omega-3-Blutspiegel auf als gleichaltrige Kontrollpersonen. Placebokontrollierte Interventionsstudien (sowie Meta-Analysen), die Omega-3-Supplementierungen bei Kindern mit ADHS untersuchten, zeigten jedoch widersprüchliche Ergebnisse.

Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS)

Querschnittsstudien berichten über niedrigere Omega-3-Blutspiegel bei Patienten mit PTBS im Vergleich zu gesunden Kontrollen. Längsschnittstudien fanden darüber hinaus eine umgekehrte Beziehung zwischen Omega-3-Spiegeln und dem Risiko, nach einer Unfallverletzung eine PTBS zu entwickeln.

Studien, die die Wirkung einer Omega-3-Supplementierung bei Personen mit PTBS untersuchten, zeigten gemischte Ergebnisse.

Demenz

Eine große Anzahl Studien zeigt positive Korrelationen zwischen Omega-3-Fettsäuren und der Kognition. Die meisten (aber nicht alle) interventionellen Studien berichten über positive Auswirkungen von Omega-3 auf das kognitive Ergebnis und die Lebensqualität von Patienten mit Alzheimer-Demenz, insbesondere im Frühstadium und bei leichter kognitiver Beeinträchtigung.

In experimentellen Studien wurde nach den Mechanismen dieser Wirkung geforscht. Dabei wurden antioxidative Wirkungen, verbesserte Plastizität des Gehirns und weitere Mechanismen nachgewiesen, die direkter mit der spezifischen Pathologie der Demenz zusammenhängen, z.B. die Hemmung der Bildung von Amyloid-Plaques und Tau-Protein sowie entzündungshemmende Wirkungen.

Einige Studien deuten darauf hin, dass Omega-3 die signifikantesten Auswirkungen auf die Kognition vor dem Ausbruch der Krankheit ausübt.

Parkinson

Nur wenige klinische Studien untersuchten bisher die Wirkung von Omega-3 bei Parkinson. Alle bis auf eine der existierenden Studien berichteten über einen positiven Effekt. Beobachtungsstudien fanden eine Korrelation zwischen einer höheren Aufnahme von Omega-3 aus Fisch und einer geringeren Prävalenz von Morbus Parkinson.

Fazit des Reviews

Reimers & Ljung schlussfolgerten nach Sichtung der Studien, dass eine starke  Korrelation zwischen einem niedrigen Omega-3-Status und einer höheren Prävalenz und Schwere verschiedener neuropsychiatrischer Störungen besteht. Dementsprechend haben viele interventionelle Studien, in denen die Wirksamkeit der Omega-3-Supplementierung bei verschiedenen neuropsychiatrischen Störungen untersucht wurde, positive Effekte festgestellt. Jedoch scheinen Omega-3-Fettsäuren aus heutiger Sicht bei langfristigen präventiven Ansätzen nützlicher zu sein, als bei der Behandlung akuter Episoden. Dabei haben wir aus den negativen Ergebnissen der groß angelegten Vital-Studie gelernt, dass eine ausreichende Dosis (mindestens 2 g Omega-3 Fettsäuren pro Tag) von entscheidender Bedeutung für den erwünschten Effekt ist. Da diese Menge mit der Einnahme von Kapseln in der Regel schwierig zu erreichen ist, empfiehlt sich die Verwendung von Omega 3-Ölen in flüssiger Form, die man löffelweise einnehmen oder Salaten und Smoothies zusetzen kann.

Die Wissenschaftler ziehen das Fazit, dass der Einsatz von Omega-3-Fettsäuren als therapeutische Option bei der Behandlung neurologischer und psychiatrischer Erkrankungen zwar noch in den Kinderschuhen steckt, aber ihr therapeutisches Potenzial, ihr günstiges Sicherheitsprofil, die einfache Verabreichung und die niedrigen Behandlungskosten vielversprechend sind.

 

Quellen:

Reimers, A., & Ljung, H. (2019). The emerging role of omega-3 fatty acids as a therapeutic option in neuropsychiatric disorders. Therapeutic Advances in Psychopharmacology, 9, 204512531985890. doi:10.1177/2045125319858901

Beitragsbild: von Engin Akyurt auf Pixabay


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Wir haben uns bereits in früheren Artikeln mit Studien über Omega 3 beschäftigt. Lesen Sie auf den folgenden Seiten weiter zu den Themen Omega 3 in Bezug auf die Fruchtbarkeit bei Männern, allgemeines Sterberisiko, kardiovaskuläre Ereignisse, Brustkrebs, Stress und psychische Erkrankungen.

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