Ernährung und Psyche

Noch immer ist die Welt der Emotionen und Gefühle ein recht unerforschtes Feld. Auch modernste Technologie ist nicht in der Lage, den Sitz unserer Seele zu lokalisieren. Trotzdem wissen wir: Wenn es uns psychisch nicht gut geht, sind dies reale Probleme. Ansätze der Ursachenforschung und Behandlung gibt es viele: Werfen uns Traumata aus der Vergangenheit zurück? Kann uns eine Psychoanalyse weiterhelfen? Oder bringen uns Meditation, Resilienz-Training, Achtsamkeitsübungen und Yoga innere Ruhe im vielleicht einfach zu stressigen Alltag? Oder kann Sport eine wirkungsvolle Methode sein, um depressiven Verstimmungen zu begegnen?[1] Sollten wir vielleicht auch mehr auf die Schlafdauer und -qualität achten?[2] Können wir uns vielleicht auch glücklich essen?

Die Antwort auf all diese Fragen lautet: Ja! Denn heute weiß man: All diese genannten Maßnahmen und Therapieansätze, die unsere psychische Stabilität fördern, sind für sich genommen bereits wertvoll. Aber gerade ihr Zusammenspiel ist besonders wichtig, da man psychischen Erkrankungen am wirkungsvollsten multifaktoriell, d.h. mit verschiedenen Maßnahmen gleichzeitig, begegnet.

Wie unsere Ernährung unsere Psyche beeinflusst

Gerade die Ernährung wird in diesem Zusammenhang jedoch oft unzureichend beachtet, da die wenigsten wissen, welch enormen Einfluss sie auf unseren Geist und unsere Seele hat. Während sich eine ungesunde Nahrungszufuhr in der Regel recht deutlich in Form von Über- oder Untergewicht an unserem Körper zeigt, leidet unsere Psyche zunächst im Stillen, wenn sie falsch ernährt wird. Die australische Wissenschaftlerin Felice Jacka prägte den Begriff der Ernährungs-Psychiatrie, um diese Zusammenhänge zu erforschen und leitet das Food & Mood Centre an der Deakin University.[3]

Eine besonders wichtige Rolle nimmt bei all dem unser Gehirn ein. Obwohl unsere grauen Zellen nur 2 Prozent unserer Körpermaße ausmachen, verbrauchen sie ein Viertel der gesamten Energie, die uns zur Verfügung steht. Dabei erfüllt unser Gehirn nicht nur kognitive Leistungen und ruft Erinnerungen ab, das menschliche Gehirn ist überdies auch eine hochkomplexe Chemiefabrik.

Welche Botschaften unser Gehirn sendet, hängt von der Ernährung ab

Heute wissen wir, dass Neurotransmitter (Botenstoffe des Gehirns) wie Serotonin, Dopamin aber auch Noradrenalin und GABA ganz konkret unsere Gemütszustände steuern. Die Frage, ob wir ausgeglichen und glücklich oder traurig und niedergeschlagen sind, hängt im entscheidenden Maße davon ab, in welchem Verhältnis unser Gehirn diese Neurotransmitter bereitstellt und ausschüttet.[4]

Diese wichtigen Botenstoffe können nur dann im richtigen Maße gebildet werden, wenn der Körper dafür auch die notwendigen Ausgangsmaterialien mit der Nahrung zugeführt bekommt.

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Das von Dr. Dominik Nischwitz entworfene Ernährungsdesign nutzt Ernährung in ihrer reinen Form als Basis für alle biochemischen Vorgänge im Körper​, sozusagen als Medizin zu Heilungszwecken, was darauf ausgelegt ist, den Menschen langfristig gesund und leistungsfähig zu machen.

Unser Bauchgehirn: Auch das Mikrobiom entscheidet über unser Seelenleben

Doch unser Gehirn ist längst nicht das einzige Organ, welches über unseren Gemütszustand entscheidet. Die Forschung hat erkannt, welch lebenswichtige Rolle die Milliarden Bakterien, Viren, Mikroben und Pilze in unserem Darm für uns einnehmen.[5]

Dieses komplexe Zusammenspiel unzähliger Mikroorganismen bezeichnet die medizinische Wissenschaft als Mikrobiom, oder auch Darmflora. Längst zeigen Untersuchungen, dass ein Ungleichgewicht unseres Mikrobioms auch unsere Psyche ins Wanken bringen kann. Über den Vagusnerv sendet unser „Bauchgehirn“ Informationen direkt ins Oberstübchen. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von der Darm-Hirn-Achse. Es verwundert daher nicht, dass Stress im Darm somit zu Stress im Kopf führt. Entspanntes Gleichgewicht breitet sich ebenso im ganzen Körper aus. Es ist wenig überraschend, dass gerade in unserem Verdauungstrakt unsere Ernährung maßgeblich darüber entscheidet, ob wir uns im stetigen Stress befinden oder wohlig fühlen.[6]

Der Blutzuckerspiegel auf Achterbahnfahrt

Doch auch während wir unsere Nahrung verdauen und unser Darm aktiv wird, beeinflusst unser Essen schon unseren Körper und unseren Geist: Unsere Bauchspeicheldrüse reagiert auf jede Zufuhr von Zucker und Kohlenhydraten mit der Ausschüttung von Insulin. Genau dieser Prozess ist verantwortlich dafür, dass wir beim Verzehr der  Pizza oder dem süßen Softtrink ein Glückgefühl erleben können. Jedoch: Dieses „High“ ist nur von kurzer Dauer. Ebenso schnell, wie unser Insulinspiegel in die Höhe schießt, rauscht er wieder nach unten – ähnlich einer Achterbahnfahrt. Plötzlich fühlen wir uns träge, energielos, vielleicht sogar depressiv. Wiederholen wir dieses Auf und Ab immer wieder, geht es uns nicht nur schlecht – es droht zudem die Zuckerkrankheit Diabetes Typ-2. Der Zuwachs dieser Krankheit in der Bevölkerung auf nunmehr 6,5 Millionen Betroffene deutschlandweit zeigt, dass bei unserer Ernährung einiges schiefläuft.[7]

Schlimmer noch: auch der kausale Zusammenhang zwischen Diabetes und Depressionen hat sich in der Wissenschaft mittlerweile etabliert, was im Umkehrschluss bedeutet, dass mit dem Anstieg an Diabetes-Fälle auch die Zahl der depressiven Erkrankungen steigen sollte.[8]

Falsche Ernährung ist keine Einbahnstraße: Den Teufelskreis durchbrechen

Ob bei der Frage, welche Botenstoffe unser Gehirn ausschüttet, dem Zustand unseres Mikrobioms oder in Bezug auf unsere Bauchspeicheldrüse: Beim Einfluss, den unsere Ernährung auf unsere Psyche hat, wirken zahlreiche Organe mit und diese Zusammenhänge sind mittlerweile klar belegt. Doch damit sind längst nicht alle Probleme benannt: Falsche Ernährung kann nicht nur unsere Psyche in Mitleidenschaft ziehen, eine angeschlagene Psyche kann ebenso falsche Ernährung begünstigen.

Denn der schnelle Genuss, übermäßige Nahrungsaufnahme als Kompensationen oder Essstörungen in Form von Mangelernährungen können eine Art Fluchtstrategie vor den seelischen Schmerzen sein. Doch damit türmen sich die Probleme erst recht auf und ein Teufelskreis kann die Folge sein. Während wir glauben, kurzfristig Abhilfe zu schaffen, sorgen diese Ernährungsmuster verlässlich für das nächste seelische Tief. Wer solche massiven Probleme bei sich erkennt, sollte unbedingt fachliche Hilfe in Anspruch nehmen. Neben Ärzten, Therapeuten und Heilpraktikern des Vertrauens, stehen hierfür auch die Coaches & Berater im AMM-Partnernetzwerk zur Verfügung.

Die Psyche richtig ernähren  

Es gilt also, die eigene Ernährung grundlegend auf den Prüfstand zu stellen. Was können wir tun, damit nicht nur unser Körper, sondern auch unsere Psyche ideal mit Nahrung versorgt wird? Antworten hierauf gibt es in Teil 2 dieser Serie.

Hier weiterlesen ➔ Ernährung und mentale Gesundheit: Teil 2 – Energie- und Baustofflieferanten für die Psyche

Auch das gemeinnützige DSGiP-Projekt Kompetenz statt Demenz bietet wertvolle Ratschläge für eine hirngesunde Ernährung. In der aktuellen Veröffentlichung Richtig essen gegen das Vergessen – So schützen Sie sich vor Alzheimer & Co.“ dreht sich alles um die Frage, wie Sie mit den richtigen Ernährungsentscheidungen auch schwerwiegende Erkrankungen, wie Demenz, vermeiden können.

Mentale Gesundheit & Psyche

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Literaturangaben:

  1. Neumann, NU, Frasch, K. (2008). Neue Aspekte zur Lauftherapie bei Demenz und Depression–klinische und neurowissenschaftliche Grundlagen. Deutsche Zeitschrift für Sportmedizin, Jahrgang 59, Nr. 2 
  2. Tsuno, N., Besset, A., & Ritchie, K. (2005). Sleep and Depression. The Journal of Clinical Psychiatry, 66(10), 1254–1269. 
  3. https://foodandmoodcentre.com.au/
  4. Online-Seminar: Stabilität kann man leben?! Selbstmanagement bei Bipolarer Störung 
  5. Kompetenz statt Demenz. (2020.) Faktenblatt: Demenz und Darmgesundheit
  6. Zschocke, A. (2014). Darmbakterien als Schlüssel zur Gesundheit
  7. Kompetenz statt Demenz. (2021). Alzheimer = Diabetes Typ-3: Insulinresistenz im Gehirn verursacht Alzheimer-Krankheit 
  8. Anderson, RJ, Freedland, KE, Clouse, RE, Lustman, PJ. (2001). The prevalence of comorbid depression in adults with diabetes: a meta-analysis. Diabetes Care;24(6):1069–1078.

Beitragsbild:

Foto von Tengyart auf Unsplash


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