Der heutige Beitrag ist ein Gastbeitrag von Biochemiker und Spiegel-Bestsellerautor („Fakten-Check Nahrungsergänzungsmittel“) Martin Auerswald. Er betreibt seit Jahren intensive Forschung zu Nahrungsergänzungen, berät Firmen in diesem Sektor und betreibt auf seiner Plattform www.schnelleinfachgesund.de Aufklärungsarbeit zum Thema Nahrungsergänzungsmittel (NEM).

In diesem Zusammenhang hat er uns einige häufige Fragen beantwortet.

Warum ein Buch über Nahrungsergänzungen?

Das Thema Nahrungsergänzungen ist sehr polarisierend und es kursieren leider viele Mythen und Halbwahrheiten im Netz. Ich sehe Nahrungsergänzungsmittel als Werkzeuge für unsere Gesundheit. Wir können sie „richtig“ einsetzen, und wir können sie „falsch“ einsetzen.

Es bedarf also guter Aufklärungsarbeit darüber, was Nahrungsergänzungen leisten können, wie sie einzusetzen sind und wie – ganz wichtig – gute Qualität erkannt werden kann.

Denn eines der Hauptprobleme ist, dass der Markt kaum reguliert wird und es kaum Mindeststandards hinsichtlich Qualität gibt. Ein Produkt muss offiziell angemeldet werden, aber ein Nachweis der Qualität und Inhaltsstoffe muss in der Regel nicht erbracht werden. Da mit Nahrungsergänzungen auch viel Geld verdient werden kann, gibt es leider auch viele schwarze Schafe und fragwürdige Produkte am Markt – aber auch viele sehr gute. Ich versuche mit meiner Arbeit, den Fokus auch auf gute Produkte und Hersteller zu lenken.

Sie unterscheiden im Buch zwischen Nähr- und Vitalstoffen einerseits und Naturstoffen bzw. Extrakten andererseits. Welche sehen Sie als besonders wertvoll an?

Die Nährstoffe, welche im Körper im Defizit vorliegen, sind auch die wertvollsten. Wer es nicht schafft, diese über die Ernährung zu decken, profitiert von einer Nahrungsergänzung. Die häufigsten Defizite sind aus meiner Sicht sind Vitamin A, Vitamin D, Vitamin K2, Omega 3-Fettsäuren, Magnesium, Jod, Folsäure, Eisen und Coenzym Q10 (im Alter).

Eine Nährstoffanalyse zeigt, wo noch Handlungsbedarf besteht (Ausnahme: Vitamin A, welches nur schwer gemessen werden kann).

Was Extrakte und Vitalstoffe angeht, entscheidet sich eine Empfehlung an den gesundheitlichen Zielen der jeweiligen Person oder ob es bereits „Baustellen“ im Körper gibt:

  • Wer Gelenkprobleme hat, profitiert etwa von Hagebutte oder Teufelskralle.
  • Zur Stärkung der Immunabwehr haben sich Echinacea oder die Vitalpilze Reishi und Cordyceps bewährt.
  • Konzentration und Fokus können mit Ginkgo und Bacopa monnieri gefördert werden.
  • Für die Verdauung und eine stabile Darmbarriere sind Löwenmähne und Baobab geeignet.
  • Mehr Energie und sportliche Leistung kann mit Kreatin, essenziellen Aminosäuren, Carnitin und Rosenwurz erreicht werden.

Hier gibt es in der europäischen Naturheilkunde viele bewährte Mittel. Viele Naturheilmittel kennen wir bereits, in der Form verschiedener Tees, wie Kamille, Pfefferminze, Frauenmantel. Da ein Tee ein Heißwasserextrakt ist, ist der Sprung zur Nahrungsergänzung (die Essenz des Naturstoffs als Pulver oder Kapsel) gar nicht mehr so groß.

Um einen Überblick und ein Gefühl zu bekommen, was mir in einer bestimmten Situation („welches Werkzeug hilft mir jetzt?“) weiterhilft, dient das Buch. Es ist immer eine gute Idee, den Rat eines Experten/einer Expertin einzuholen, der/die sich mit dem Thema auskennt, um nicht wild herumzuexperimentieren, sondern strukturiert und sicher vorzugehen.

Welche Nahrungsergänzungen können zusammengenommen werden, welche eher nicht?

Es ist eine eigene Wissenschaft für sich, was zusammengenommen werden kann, und was nicht. Ich orientiere mich gerne an der Natur: In der Natur liegen Nährstoffe immer zusammen vor – ein Stück Leber enthält fast alle Nährstoffe, die unser Körper braucht, in einer bioverfügbaren Form. Und das, obwohl sich Zink, Kupfer, Mangan, Eisen und Magnesium in der Theorie gegenseitig bei der Aufnahme behindern, was hier aber nicht der Fall ist.

Grund dafür ist, dass die Nährstoffe in einer biologischen Matrix eingebettet vorliegen. Diese wird langsam verdaut und die Nährstoffe langsam freigesetzt.

Werden Nährstoffe isoliert und nüchtern genommen, kann es zu Wechselwirkungen kommen – mit einer Mahlzeit jedoch nicht.

Daher empfehle ich, Nahrungsergänzungen zu Mahlzeiten zu nehmen, und sich wegen Wechselwirkungen keine Sorgen zu machen.

Es gibt nur sehr wenige Beispiele dafür, wann ein Nahrungsergänzungsmittel unbedingt isoliert und nüchtern genommen werden sollte, wie z.B. Kalium (nüchtern, über den Tag verteilt) oder wenn ein starkes Defizit vorliegt und dieses schnell reduziert werden soll.

Eisen und Zink können nüchtern (früh) übrigens den Magen reizen und sollten bei aufkommender Übelkeit nach der ersten Mahlzeit genommen werden.

Welche Mythen hören Sie besonders oft?

Oh, da gibt es einige, die sich hartnäckig halten:

  • Vitamin D und K2 müssen immer zusammengenommen werden. Es gibt Funktionen, die Vitamin D allein hat, und einige, die Vitamin K2 allein hat. Und dann gibt es Funktionen (z.B. Knochenstoffwechsel, Herz-Kreislauf-System), da wirken beide zusammen. Aber immer zusammen und zeitgleich, das nicht. Im Sinne der Biologie gesprochen: wenn sich unsere Vorfahren gesonnt haben (= Vitamin D), hatten sie auch nicht immer gleich ein Stück Käse (= Vitamin K2) zur Hand, „damit das Vitamin D wirken kann“. Unser Körper kann auch speichern.
  • Eine gesunde Ernährung reicht völlig aus. Das ist leider nicht der Fall. Eine gesunde Ernährung ist die Grundlage, aber aus verschiedenen Gründen hat jeder Mensch Nährstoffdefizite, und das ist ok. Es gilt herauszufinden, was individuell getan werden kann.
  • Deutschland ist kein Vitamin-Mangelland. Großangelegte Studien wie die Nationale Verzehrstudie II oder die tägliche Praxis zeigen, dass Deutschland ein Vitamin-Mangelland ist, keine Frage. Allein schon mit Blick auf Vitamin D, bei dem ab November jeder ein Defizit hat, der nicht supplementiert.
  • Nahrungsergänzungen ersetzen keine gesunde Ernährung. Das stimmt, aber dennoch profitiert jedoch von ihnen – wer sich ungesund ernährt, profitiert theoretisch noch mehr von Nahrungsergänzungen, auch wenn es natürlich nicht Sinn und Zweck ist, eine ungesunde Ernährung mit Nahrungsergänzungen „abzupuffern“. Dazu sind sie nicht da.
  • Damit will doch immer nur jemand Geld verdienen. Ein häufiges Totschlagargument. Nur weil irgendjemand damit Geld verdient, heißt das nicht, dass es Ihnen nicht hilft – und darum geht es doch. Nützt es Ihnen, macht es Ihr Leben gesünder und glücklicher – oder nicht.
  • Die Angst vor Überdosierung. Die Angst vor dem „Zuviel“ ist tief verankert, weil so häufig vor Nahrungsergänzungen und der toxischen Vitamin D-Überdosierung (die 100.000x seltener vorkommt, als ein Vitamin D-Mangel) gewarnt wird, oder weil Nahrungsergänzungen wie Medikamente angesehen werden. Doch wer sich an Empfehlungen zur Dosierung hält und bei Nährstoffen vorab eine Blutanalyse macht, kann in der Regel nicht viel falsch machen. Die Angst vor einem Defizit sollte viel höher sein als vor einer Überdosis, die in der Praxis selten bis nie vorkommt. Besonders verbreitet ist diese Angst bei Vitamin A & D sowie Omega 3-Fettsäuren – eine Überdosis habe ich in 6 Jahren Nährstofftherapie so selten erlebt, das kann ich an einer Hand abzählen.

Welche sind günstige Kombinationen, also welche Nährstoffe wirken gut zusammen und was sind die Co-Faktoren?

  • Für den Knochenstoffwechsel wirken Vitamin D und K2 zusammen.
  • Eisenstoffwechsel: Eisen, Vitamin A, Zink, Kupfer, B9, B12
  • Immunabwehr: Vitamin A, Vitamin C, Vitamin D, Zink, Eisen
  • Entzündungsregulation: Vitamin A, Vitamin D, Omega 3-Fettsäuren, Zink, Selen
  • Schilddrüse: Eisen, Zink, Selen, Jod, Vitamin A, Vitamin D
  • Serotonin- und Dopaminstoffwechsel: B-Vitamine, Vitamin C, Vitamin D, Omega 3, Aminosäuren
  • Blutzuckerregulation: Magnesium, Chrom, Zink, B-Vitamine, Vitamin D
  • Knorpel & Gelenke: MSM, Kollagen, Vitamin D, Vitamin K2, Vitamin C, Omega 3
  • Mitochondrien: Magnesium, B-Vitamine, Coenzym Q10, Omega 3, Vitamin K2, Carnitin, Taurin, Alpha-Liponsäure
  • Herz-Kreislauf-System: Vitamin C, Vitamin D, Vitamin K2, Omega 3

Welche Nahrungsergänzungen sollten für eine optimale Wirkung besser morgens genommen werden, welche abends?

Bei Adaptogenen kann die Wirkung unterschiedlich ausfallen, je nach Zeitpunkt der Einnahme. Reishi und Ashwagandha etwa wirken morgens anregend und energetisierend, abends hingegen entspannend und schlaffördernd. Ähnlich ist es auch mit Magnesium.

Es ist also nicht nur wichtig, was eingenommen wird, sondern auch wann.

Und dann gibt es Nahrungsergänzungen, die sich am besten zu einer bestimmten Tageszeit anbieten:

  • Morgens: Cordyceps, B-Vitamine, Ginkgo, Bacopa, Ginseng
  • Mittags: Bitterstoffe, Antioxidantien, Aminosäuren
  • Abends: Tryptophan/5-HTP, Lavendel, Baldrian, Melisse, GABA, CBD-Öl, Melatonin
Fakten-Check Nahrungsergänzungsmittel
von Martin Auerswald
Verlag: Kosmos
Erscheinungsjahr: 2023

Unsere Buchempfehlung:

Fakten-Check Nahrungsergänzungsmittel

Kompetent, kritisch und praxisnah beleuchtet dieses Buch unseren Umgang mit Nahrungsergänzungsmitteln, zeigt, wo sie hilfreich sein können, und gibt viele spannende Anregungen, wie wir Mangelerscheinungen verhindern können.

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