Céline von Knobelsdorff

Interview am 14.11.2023
Bianca Höltje, Grundschullehrerin, Rektorin, Beraterin, Autorin
Prof. Jörg Spitz, Facharzt für Nuklearmedizin, Generalist
Moderation und Text: Céline von Knobelsdorff

Kulturelle Werte stehen in unmittelbarer Verbindung mit den Inhalten und Rahmenbedingungen unserer Bildungslandschaft. Während das Stöhnen um die unübersehbaren Missstände vielerorts lauter wird, wirken bereits viele kompetente und weitblickende Menschen daran mit, Lösungen zu etablieren. In einer bequemen Wohlstandsgesellschaft ist dies durchaus mit gewissen Anstrengungen verbunden, doch die positive, visionäre Kraft einer Neuen Gesundheitskultur zeigt sich in verschiedenen Aspekten und gibt genügend Anlass zuversichtlich auf die Weiterentwicklung unseres Bildungslebens zu blicken.

Machen wir uns ein Bild

Was verbinden wir mit dem Begriff der „Bildung“: Schule, Ausbildung, den Bildungsabschluss, der als Zertifikat die Eintrittskarte ins „wahre Leben“ sein soll? Oder geht es hier auch um eine Haltung, wie gebildet der Mensch ist, wie ver- oder eingebildet eventuell auch? Verschiedene Stimmen sprechen sogar von der „Lebensschule“, was so manchen von der Illusion erlöst, das Lernen jemals endet.

Heutzutage setzen wir mehr denn je alles daran, ein exzellentes Bild von uns abzugeben, oft genug zum Preis weitreichender Selbstverblendung. So scheint es von höherem Bildungswert, Kinder bereits immer früher auf schulische Inhalte vorzubereiten, während Familien immer weniger der Hort von sozialer Bindung und echter Nestwärme sind. Das „Humankapital“ landet dann in Schulen, welche vor allem dem Einhalten eines Lehrplans dienen. Priorität hat anhaltend die Wissensvermittlung, dabei ertrinkt unsere gesamte Gesellschaft bereits in medial gesteuerten Informationsfluten. Die nach etlichen Jahren meist freudlos gemachten Wesen verlassen mit einem Abschlusszertifikat eine weitere Institution, um sich nun im Feld scheinbar unbegrenzter, beruflicher Optionen möglichst erfolgreich zu platzieren.

Da stellt sich zwangsweise die nächste Frage: „Auf welche Art des Erfolgs werden wir in unserem Bildungsprozedere wirklich vorbereitet?“

„Schule darf nicht mehr nur ein Lernort sein, sondern vielmehr zu einem Lebensort werden.“ Bianca Höltje

Akte „Kind“

Mit den Augen von Bianca Höltje, einer ehemaligen Grundschullehrerin und Rektorin, betrachtet, blicken wir auf eine nicht nur traurige, sondern bereits alarmierende Lage: Im Laufe der letzten zwanzig Jahre betraten mit den Kindern immer mehr gesundheitliche Diagnosen den schulischen Alltag. Heute bringen etwa ein Drittel der Schüler bereits eine „Akte“ mit, die eine Vielfalt von Symptomen aufdeckt: Allergien und spezielle Ernährungsweisen stellen hierbei lediglich die kleinen Übel dar, weitaus komplexer wird die Handhabung bei ADHS und Autismus, welche in erschreckendem Maß zugenommen haben. Wie eine Bildungseinrichtung damit umgeht, obliegt keiner Regelung, man muss es „irgendwie“ hinbekommen, woran erneut erkennbar wird, worauf die höhere Priorität liegt. Die wichtigste Frage nämlich, was die Kinder mit einer solchen Diagnose brauchen, wird selten bis gar nicht berücksichtigt.

„Was geschieht in den Familien, in denen solche Bedingungen herrschen? Was ist mit der Gesellschaft passiert, dass sich eine solche Entwicklung derart ausweiten konnte?“

„Es zeigt sich, dass die Gesellschaft eines Regenerations-prozesses bedarf. Darin nimmt die Schule eine enorme Bedeutung ein, weil sie direkt an den sozialen Uterus der Familie anschließt.“ Prof. Dr. Jörg Spitz

Gesellschaftsbild

Warum ist es wichtig, das Umfeld anzuschauen?“ Weil genau darin die Antworten zu finden sind. Dank der Epigenetik öffneten sich bereits vor Jahren die Pforten zu neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen, wodurch unser Verständnis von Zusammenhängen, bis hinein in das scheinbar so profane Alltagsgeschehen, neu bewertet werden muss.

Nachweislich ist es unser Umfeld, unser familiärer Kontext und in Erweiterung die gesellschaftliche Lage, welche als gesetzte Rahmenbedingung unsere individuelle Entwicklung „steuert“. Unser Lebensstil ist Ausdruck der verinnerlichten Prägungen, und wir wiederum prägen den Lebensstil unserer Kinder.

In einer modern lebenden Familie ist es an der Tagesordnung, bereits Kleinstkinder in eine Ganztagesbetreuung zu bringen. Dadurch werden wesentliche Steine für strapaziertes oder schadhaftes Wachstum ihres Nachwuchses ins Rollen gebracht: Die mehrheitlich angespannte Betreuungssituation versetzt die kleinen Wesen in das Stresslevel eines Top-Managers. Wenn dazu noch eine unausgewogene Ernährung (Fertigprodukte) kommt, ist das erschreckende Ausmaß von beispielsweise derzeitiger Kinder-Diabetes rasch erklärt. Und wo naturbelassene Lebensmittel immer weiter aus dem konkreten Blickfeld täglicher Einkaufsroutinen geraten, fällt es umso leichter zu vergessen, was die grundlegende Basis eines gesunden Lebens ist.

„Die Regeneration zu einer neuen Gesundheits- und auch Bildungskultur ist unmittelbar an das Wiedererwachen der bürgerlichen, menschlichen Eigenverantwortung geknüpft.“ Céline von Knobelsdorff

Die Zeit ist reif

Es mag den Anschein erwecken, als seien wir alle gefangen in den gehetzten Abläufen, ohne Anbindung an gefestigte Familienstrukturen. Und weil es viele gibt, denen es ähnlich geht, verschwimmt die Klarheit darüber, dass jeder für den Status seiner Gesundheit, das Wohl seines Kindes selbst verantwortlich ist.

„Doch was ist zu tun?“ Erwachsene täten gut daran, ihr eigenes Verhalten in Bezug auf „verschultes Denken“ zu hinterfragen: „Wo wird einfach nur ausgeführt, was vorgegeben ist (und alle machen)?“ Sowohl Eltern als auch Lehrern steht sehr viel mehr Entscheidungsraum zur Verfügung als genutzt wird. Gleichwohl bedeutet eine solche Haltung – zumindest zeitweilig – gegen Strom eingegleister Gewohnheiten und mehrheitlicher Haltungen zu schwimmen. Das Bild, welches wir von Kindern haben, die durch ihre „Akte“ auffällig anders sind, sollten wir dahingehend liebevoll vertiefen, indem wir die wahren Ursachen anschauen, die vermutlich zusätzlich ein entsprechendes Licht auf die familiäre Umgebung werfen.

Bei alledem geht es nicht um Schuld oder Zurechtweisung, es geht um ein Erwachen für die wahren Aufgaben dieser Zeit: Mitgestalter an einer Kultur zu sein, in der wir selbst gerne leben und die wir unseren Kindern mit gutem Gewissen hinterlassen.

 „Die Schule soll stets danach trachten, dass der junge Mensch sie als harmonische Persönlichkeit verlasse, nicht als Spezialist.“ Albert Einstein

Herzensbildung

Während ein gewaltiger, neuer „Fortschritt“ unsere Aufmerksamkeit auf sich lenkt, möge man sich an dieser Stelle vor Augen führen, welche Auswirkungen dieser auf unser „Bildungswesen“ hat: KI-gestützter Unterricht mag vorgeben, das individuelle Lernniveau optimal zu unterstützen, jedoch zu welchem Preis? Die Lernkultur basiert damit nicht länger auf der notwendigen Beziehung sozialen Lernens, sondern auf einer maßgeblich isolierten Datenanalyse.

Es ist ein zentrales Anliegen der Neuen Gesundheitskultur in eine Rückanbindung zu ganzheitlichen Haltungen, würdevollen Umgangsformen sowie zu einem wachen, selbstbestimmten Handeln (zurück) zu kommen. Hier darf jeder von seinem speziellen Wissen und Erfahrungsschatz Gebrauch machen, es ist erwünscht, dass die Gemeinschaft in Vielfalt wächst sowie die Brücke zu unserer Menschlichkeit gefestigt wird, indem wir in allen Bereichen bewusst an unsere Herzensbildung appellieren. Solange eine Kultur sich durch Werte auszeichnet, sollten darin die Zufriedenheit, Erfüllung und das Glücklichsein, die obersten Gebote sein. Wie „relativ“ unser Streben nach Fortschritt zu betrachten ist, lässt sich erneut und abschließend mit den Gedanken Albert Einsteins wiedergeben:

 „Es gibt keine großen Entdeckungen und Fortschritte, solange es noch ein unglückliches Kind auf Erden gibt.“ Albert Einstein

Hintergrund zu diesem Text bildet ein facettenreiches Gespräch mit Prof. Dr. Jörg Spitz, Bianca Höltje und Céline von Knobelsdorff zum Thema aktueller Veränderungen im Bereich Bildung und Schule.
Hier geht’s zum Interview:

Interview: Freie Schulen als Alternative für die Gesundheit unserer Kinder?

In diesem Zusammenhang sei auch auf eine voraussichtlich interessante Veranstaltung hingewiesen, die am 4. Februar in Hamburg stattfindet:

Schule macht krank?!

Wie kann die Schule ein gesunder Lebensraum sein und zur Bildung der nächsten Generation beitragen?

Mit dem Psychoneuroimmunologen Univ.-Prof. Dr. Dr. Christian Schubert, der Schulleiterin Bianca Höltje und dem Bildungsphilosophen Dr. Matthias Burchardt

Hier geht es zu den Details »

Die Neue Gesundheitskultur

Qualitative und menschliche Medizin, die möglichst ursachenorientiert, ganzheitlich und natürlich arbeitet – dies ist unser Wunsch für einen neuen Standard in unserem Gesundheitssystem. Die Neue Gesundheitskultur ist eine Plattform für Informationen, Partner und Interessierte, die dieses Mindset teilen.

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