Céline von Knobelsdorff

Interview am 14.03.2024
Gabriele Wander, Sozialpädagogin, Erfinderin
2 Kursteilnehmerinnen: Sabine Wißmann, ehem. Lufthansa-Mitarbeiterin; Dorothee Borchers, ehem. Leiterin einer Kindertagesstätte
Moderation und Text: Céline von Knobelsdorff

Auf der Liste anhaltender Volkskrankheiten stehen Rückenbeschwerden immer noch ganz weit oben. Bekannt ist, dass das tägliche Sitzen über viele Stunden dazu beiträgt, weshalb die Nachfrage nach alternativen Therapieangeboten, neben den herkömmlichen, im Laufe der Jahre weitergewachsen ist. Doch geht es wirklich nur um die Wiederherstellung einer körperlichen Funktionalität? Ist unser Rücken eine Konstruktion, welche sich unter den modernen Lebensbedingungen als anfällig erweist? Das Verständnis der Neuen Gesundheitskultur (NGK) geht davon aus, dass der Mensch in seiner naturgegebenen (gesunden) „Bauart“ alles andere als optimierungsbedürftig ist. Vielmehr entscheidet der alltägliche Umgang mit unserer Einheit von Körper, Geist und Seele, inwieweit wir in eine, zum Teil bedenkliche Schräglage geraten, welcher selbst das stärkste Rückgrat dauerhaft nicht gewachsen ist.

Seid aufrichtig

Mit dem weiten Blick unserer wachsenden Neuen Gesundheitskultur betrachtet, ist der krankhafte Gesamtzustand unserer Gesellschaft symptomatischer Ausdruck einer „verkrümmten“, verkümmerten Lebenshaltung. Offenbar haben uns die vermeintlichen Vorzüge des als modern angepriesenen Lebens dazu verführt, Standards zu etablieren, welche uns zugleich schleichend ins Sitzen verbannten. Innerhalb unserer Alltagsroutinen wechseln wir vor allem die Unterlage, kaum aber die Bewegungsart: Vom Autositz in den Bürostuhl, von dort auf den Kantinenstuhl, zurück in den Bürostuhl, von dort wieder in den Autositz und schnellstmöglich in den Fernsehsessel oder direkt aufs Sofa.
Seien wir aufrichtig mit unserem Status Quo: Die wenigen Schritte zwischen Haustür und Parkplatz, auf den Bürogängen oder für Erledigungen, meist im Eiltempo sowie zwischen Bad und Bett, sind kaum ausreichend, um den dauerhaften Missbrauch an der Säule unserer Aufrichtung wett zu machen.

„Seitdem ich mich mehr und gezielter bewege, kann ich besser denken.“
Sabine Wißmann

Perspektivwechsel

Und es steckt noch mehr dahinter, warum wir statt von einem schmerzenden Rücken besser von einer schmerzenden Wirbelsäule sprechen sollten. Auf ihrem persönlichen Heilungsweg stellte die Sozialpädagogin Gabriele Wander (Erfinderin des MiShu-Stuhls) fest, dass der Begriff „Rücken“ die wesentliche Bedeutung unserer Aufrichtung und Bewegungsdynamik kaum verständlich übermittelt. Die Bezeichnung Wirbelsäule zeige dagegen unmittelbar auf, dass es um eine Verbindungsachse geht, welche in sich sowohl stabil und zugleich mobil sein sollte. Auch ginge es um die Verknüpfung zwischen den neuronalen Impulsen des Gehirns, den Nerven und Muskeln, wodurch unsere Wirbelsäule eine Verbindung zwischen Energie und Materie herstelle, so Gabriele Wander. Die Lasten von Zeitdruck, einem stetig wachsenden Aufgabenpensum, der digitalen Konfrontation sowie unbewältigtem emotionalen Stress sind weitere, erhebliche Faktoren, welche auf diese Konstellation schadhaft einwirken. Auch wenn wir meinen, dass die Annehmlichkeiten unseres erreichten Komforts für eine Verbesserung der Lebensqualität sprechen, für die Lasten, welche heutzutage geschultert werden müssen, besitzen wir schon lange kein Rückgrat mehr.

„Wir Menschen sind die lebendige Verbindung zwischen Himmel und Erde.“
Gabriele Wander

Dynamisches Modell

Allem voran fehlt unser ganzheitliches Verständnis für das Zusammenwirken komplexer körperlicher sowie geistiger und emotionaler Vorgänge. Dass wir uns selbst als ein mechanistisches Gebilde aus Knochen, Muskeln, Gefäßen, Organen, aus Festem, Weichem und Flüssigem verstehen, hat bereits eine zentrale Verbindung mit uns selbst gekappt: dem Wissen, um den immensen Einfluss unserer Geisteshaltung sowie unserer emotionalen Einstellung zu allem Materiellen, Physischen. Mit dem Diktat des Rationalen veränderte sich unsere Selbstwahrnehmung und Lebensart. Unsere Kopflastigkeit, gepaart mit unserem ausgeprägten Sitzfleisch sind eine Belastung für die wunderbare Wirbelsäule, welche oftmals unter diesen Bedingungen einknickt. Nicht sie muss sich der Unnatürlichkeit unserer Lebenshaltung anpassen, wir sollten stattdessen dorthin zurückfinden, womit wir unserer tragfähigen Verbindungsachse in artgerechter Weise entsprechen. Als äußerst hilfreich erweist sich hierbei, wenn wir uns von vertrauten Darstellungen unseres Rückgrats lösen und ein weitaus zutreffenderes, vollständigeres Modell der Wirbelsäule, nämlich vom Zusammenwirken ihrer Muskulatur, heranziehen. Gabriele Wander stellt dies ausführlich in unserem Interview vor.

„Nimm dir Zeit für dich selbst, nicht erst, wenn du in Rente gehst.“
Dorothee Borchers

Drei Bewegungsarten

Für eine gesunde Aufrichtung rücken drei Bewegungsarten deutlich in den Fokus, welche die evolutionären Schritte unserer Entwicklung als Spezies auf ideale Weise vereinen. Blicken wir auf die Anfänge des Lebens zurück, so entwickelten sich die ersten Daseinsformen im Wasser. Die Bewegungsart von Fischen, in schlängelnder Rechts-Links-Ausrichtung, prägte die primäre Funktionalität der Wirbelsäule. Nach dem Landgang der Lebewesen kam eine weitere hinzu: die Dynamik des sich Beugens und Streckens für die zunächst noch horizontale Fortbewegung auf vier Beinen. Mit der Entstehung der Menschen fügte sich zur vertikalen Aufrichtung der Wirbelsäule, die Rotation um deren Achse dazu. „Wir sind über unsere Wirbelsäule und ihre komplexen Bewegungsmöglichkeiten mit der Evolutionsgeschichte des Lebens selbst verbunden und das seit vielen Millionen Jahren.“ Diese Erkenntnis und das Aufstöbern der drei archetypischen Beweglichkeitsausrichtungen waren seinerzeit für Gabriele Wander die zündenden Funken für eine dauerhafte Lösung ihrer Beschwerden.
Im Menschen vereinen sich demnach mehr Beweglichkeitsdimensionen und Lebensarten, als jene, in die er sich zwischenzeitlich hineingezwängt hat.

„Unsere Herzen sind die künftigen Lebensnavigatoren.“
Céline von Knobelsdorff

Ein natürliches Körpergefühl

Es ist kaum vorstellbar, dass wir mit einem Gefühl von Leichtigkeit in unserer Wirbelsäule voranschreiten können. Bislang habe ich stets das Bild vom „starken Rückgrat“ mit mir herumgetragen, von breiten Schultern und einer eisernen Aufrichtigkeit – jetzt ist mir klarer geworden, dass auch das zu Verspannungen geführt haben mag, mit denen ich vermutlich viel weniger imstande war, das zu schultern, was gefordert war. Unsere Wirbelsäule zurück in einen Zustand ursprünglicher Elastizität zu bringen, was bedeutet, für einen natürlichen Ausgleich innerhalb der muskulären Aktivität zu sorgen, das ist der klare Auftrag an die sitzende „Stress“-Generation. Es scheint ebenso unwirklich, dass jene wiedergewonnene Durchlässigkeit in unserer Wirbelsäule Grundvoraussetzung für gesunde, kraftvolle Funktionalitäten ist. Was so fragil anmutet, entspricht vielmehr unserer archaischen Rückanbindung sowie Erweiterung, denn durch eine stabile und zugleich flexible Wirbelsäule öffnet sich auch unser Brustraum. Ein geöffneter Brustraum lässt uns durchatmen und er gibt unseren Herzraum frei. Gefühle der Lebensfreude, Klarheit und Freiheit kehren zurück, wie Zugvögel nach einer Winterpause.
Und ist es nicht genau das, was eine neue Ausrichtung im Kern benötigt? Mit einem gesunden Rücken, dem wir zu entsprechen wieder lernen müssen, wird es gelingen, sich all den Aufgaben zu stellen, welche sowohl Rückgrat, als auch Aufrichtigkeit voraussetzen, welche Mut, Entschlossenheit und Weitblick ebenso benötigen, wie Mitgefühl, Selbstfürsorge und eine Ausrichtung, die von Herzen kommt.

Hintergrund zu diesem Text bildet ein äußerst informatives Gespräch mit Gabriele Wander, zusammen mit ihren Referentinnen, Sabine Wißmann und Gabriele Borchers, moderiert von Céline von Knobelsdorff, mit dem Titel „Eine gesunde Aufrichtung für eine neue Ausrichtung.“
Hinweis: Im Begleittext zum Interview finden Sie weitere Informationen zu Gabriele Wander, ihren Angeboten zum Rückencoaching sowie zu ihrer Erfindung, dem MiShu-Stuhl.

Hier geht’s zum Interview:

Mit Gabriele Wander: Rückengesundheit in den Alltag integrieren

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