Dr. Stefan Hügel
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Ein Gastbeitrag von Dr. Stefan Hügel

Obwohl ein beträchtlicher Teil der Weltbevölkerung über ausreichend Nahrung verfügt, sind Mangelerscheinungen bei Mikronährstoffen weit verbreitet. Insbesondere der Mangel an Mineralstoffen und Spurenelementen hat ernsthafte Auswirkungen auf die Gesundheit.  Diese reichen von einem geschwächtem Immunsystem und chronischen Entzündungen bis hin zu Müdigkeit, Übergewicht, Depressionen und Demenz. Wenn solche Mangelzustände bereits in der Frühentwicklung und während der Kindheit auftreten, kann dies auch die geistige Entwicklung beeinträchtigen.

Die Pandemie der Mangelernährung

Die Größenordnung des Problems wird offensichtlich, wenn wir uns einige Zahlen vor Augen führen. Schätzungen zufolge leiden weltweit 3,7 Milliarden Menschen an Eisenmangel, wovon 2 Milliarden unter schwerem Mangel (Anämie) leiden. Bei Kindern unter fünf Jahren sind 35 % von Zink- oder Eisenmangel betroffen, und 260 Millionen Kinder leiden an Selen- oder Jodmangel [1] Anderen Quellen zufolge sind in der Weltbevölkerung 60-80 % von Eisenmangel betroffen, 30 % von Zinkmangel, 30% von Jodmangel und 15 % von Selenmangel [2].

Die Mengenverhältnisse der Mineralien zueinander sind entscheidend!

Einige Elemente wirken zusammen synergistisch, d.h. sie verstärken sich in ihrer Aufnahme und Wirkung gegenseitig, während antagonistisch wirkende Elemente sich gegenseitig behindern. So ist bekannt, dass das Verhältnis von Kalium zu Natrium einen großen Einfluss auf unsere Herzgesundheit hat. Während wir vor einigen Tausend Jahren schätzungsweise mehr als zehnmal so viel Kalium als Natrium zu uns nahmen, konsumieren wir heute im Schnitt durch die moderne Ernährung mehr Natrium als Kalium [3]. Schaut man auf die Statistik, verkürzt dieser Faktor unsere Lebenszeit [4]!

Wo kommen die Mineralstoff- und Spurenelementdefizite her?

Der Hauptfaktor, der unsere Versorgung mit Mineralstoffen und Spurenelementen beeinflusst, ist unsere Ernährung. Seit Jahrzehnten beobachten wir einen besorgniserregenden Trend: Lebensmittel, sei es Obst, Gemüse oder tierische Produkte, enthalten immer weniger Mineralstoffe und Spurenelemente [5]. Dieses Phänomen betrifft nicht nur konventionell angebaute Lebensmittel, sondern auch Bio-Lebensmittel [6]
. Ein Grund dafür liegt in der Zunahme von Lebensmittelverarbeitungsstufen sowie dem hohen Konsum von Zucker, Weißmehl und Pflanzenölen. Doch vor allem sind unsere Böden weltweit in einem schlechten Zustand; wir haben in den letzten Jahrzehnten ein Drittel aller fruchtbaren Böden verloren, laut einem UNO-Bericht aus dem Jahr 2005 [7].

Bild: Die Veränderung des Gehalts an Mineralien und Spurenelementen in Lebensmitteln zwischen 1941 und 1990 in England, nach [5]

Die Nährstoffbilanz geht nicht auf!

Der Einsatz von Kunstdünger, der in der Regel nur Stickstoff, Phosphor und Kalium enthält, führt kurzfristig zu höheren Erträgen. Langfristig entziehen wir dem Boden jedoch mit jeder Ernte mindestens 20 verschiedene Elemente, da die Pflanzen diese aus dem Boden aufnehmen. Wenn nur drei dieser Elemente in Form von Kunstdünger auf den Acker zurückkehren, wird klar, dass der Boden aus dem Gleichgewicht gerät. Pflanzen benötigen nicht nur Stickstoff, Phosphor und Kalium, sondern auch zwingend die Makronährstoffe Calcium, Magnesium und Schwefel sowie die Spurenelemente Chlor, Eisen, Mangan, Zink, Bor, Kupfer, Molybdän und Nickel [8].

Die Selen-Düngung in Finnland

Seit 1984 wird in Finnland Selen per Gesetz gedüngt. Die Böden in Finnland sind von Natur aus arm an Selen, daher führte die Selendüngung zu einer signifikanten Erhöhung des Selengehalts in den angebauten Pflanzen. Der durchschnittliche Selenkonsum der Finnen hat sich dadurch verdoppelt und der Selenstatus in der Bevölkerung verbesserte sich deutlich, wodurch sich gesundheitliche Vorteile ergeben haben [9]. Dennoch ist Finnland bis heute das einzige EU-Land mit vorgeschriebener Selen-Düngung, obwohl selenarme Böden in ganz Mitteleuropa weit verbreitet sind. Interessanterweise ist die Selen-Düngung in der Bio-Landwirtschaft EU-weit verboten, gleichzeitig wird allen Bio-Futtermitteln Selen zugesetzt, um Mangelerscheinungen bei den Tieren zu verhindern.

Lithium und die psychische Gesundheit

Bereits in den 1970er Jahren gab es erste Forschungen, die einen Zusammenhang zwischen dem Lithiumgehalt im Trinkwasser und der Häufigkeit von Gewaltverbrechen nahelegten. Gebiete mit niedrigem Lithiumgehalt im Trinkwasser wiesen statistisch signifikant mehr Suizide, Vergewaltigungen und Tötungsdelikte auf, während eine höhere Konzentration von Lithium im Trinkwasser mit weniger Gewalt einherging [10]. Diese Ergebnisse wurden in verschiedenen Ländern bestätigt [11]. Des Weiteren konnte gezeigt werden, dass schon winzig kleine Mengen von 0,4 mg Lithium pro Tag einen deutlich positiven Effekt auf die Stimmung und das Energielevel haben können. Für einige Menschen kann dieser Effekt lebensverändernd sein [12]. Lithium wird für den Transport und die Funktion von Vitamin B12 und B9 benötigt, es stimuliert die Produktion von Stammzellen im Gehirn, die Regeneration von Nervenzellen, baut Neurotoxine ab und scheint insgesamt unentbehrlich für die Funktion und den Erhalt der Gehirnfunktion [13]. Trotzdem gilt Lithium immer noch als nicht essenziell. Psychische Gesundheit wird offenbar nicht als Lebensnotwendigkeit gewertet.

Der Nährstoffkreislauf im Großen und Ganzen

Die Erfindung von Abwassersystemen mit Spültoiletten und Kläranlagen hat entscheidend zur Prävention von Krankheiten beigetragen, aber die Rückgewinnung von Nährstoffen aus dem Abwasser wurde dabei völlig vernachlässigt. Die flüssige Fraktion des Abwassers gelangt größtenteils in die Ozeane, während der feste Anteil, der Klärschlamm, üblicherweise auf Deponien landet. Ohnehin macht die Vermischung von industriellen und kommunalen Abwässern eine landwirtschaftliche Nutzung aufgrund zahlreicher bedenklicher Verunreinigungen kaum möglich. Dieser Nährstoffverlust vom Land ins Meer ist ein riesiges Problem, das dringend angegangen werden muss!

Bild: Pseudo-Kreislauf: Eine Einbahnstraße: Nährstoffe gehen vom Land ins Meer

Das sind viele große Probleme auf einmal; also was tun? Die Lösungen sind da, das Wissen darum auch. Es fehlt an Bewusstsein für die wirklich wichtigen Probleme unserer Zeit. Dass wir mit jedem Betätigen der Spültaste zum Auslaugen der Böden und zur Verdreckung der Ozeane beitragen, ist den wenigsten klar. Hier braucht es Aufklärungsarbeit. Funktionierende Ökosanitärsysteme gibt es seit Jahrzehnten, es interessiert nur kaum jemanden. Auch in der Landwirtschaft gibt es überzeugende Ansätze, die die weltweite Bodenzerstörung aufhalten und rückgängig machen können, Stichwort Regenerative Landwirtschaft!

Bild: Ein funktionierender Nährstoffkreislauf

Fazit & AMM-Empfehlung

Unsere Gesundheit ist direkt mit der Gesundheit der Böden verknüpft. Was die Pflanze nicht bekommt, wird auch uns fehlen. Es braucht ein umfassendes Umdenken in der Land- und Abwasserwirtschaft, um das System Mensch-Natur wieder in die Gesundung zu führen. Wer mehr über die Mineralienwende erfahren möchte, kann dies über das kürzlich erschienene Buch tun: „Die Mineralienwende – Wie Mineralien uns und die Welt retten“

Auf 188 Seiten wird mithilfe von über 270 wissenschaftlichen Quellen, auf leicht verständliche Art und Weise, die Wichtigkeit der Mineralien und Spurenelemente für die Gesundheit von uns Menschen, sowie auch den Pflanzen dargelegt.

Das neue Buch von Dr. Stefan Hügel: Die Mineralienwende

Mehr zu Dr. Stefan Hügel im Netzwerk Spitzen-Gesundheit

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Über den Autor:

Dr.-Ing. Stefan Hügel, Verein Mineralienwende

Dr.-Ing. Stefan Hügel ist promovierter Bioverfahrenstechniker und Co-Gründer des Vereins Mineralienwende. Innerhalb des Vereins forscht er an drei Ebenen, um die Gesundheit von Mensch und Natur, insbesondere durch den Einsatz von Mineralien und Spurenelementen zu verbessern: Die gezielte Versorgung des Menschen, der Pflanzen, sowie die Schließung des globalen Nährstoffkreislaufs.

Quellen:

  1. Xiao-E Yang, Wen-Rong Chen, and Ying Feng. Improving human micronutrient nutri¬tion through biofortification in the soil-plant system: China as a case study. Environmental geochemistry and health, 29(5):413-428, 2007.
  2. Philip J. White and Martin R. Broadley. Biofortifying crops with essential mineral elements. Trends in plant science, 10 (12):586- 593, 2005.
  3. S. B. Eaton and M. J. Konner. Paleolithic nutrition revisited: A twelve-year retrospective on its nature and implications. European Journal of Clinical Nutrition, 51:207-216, 1997.
  4. Yang, Quanhe, et al. "Sodium and potassium intake and mortality among US adults: prospective data from the Third National Health and Nutrition Examination Survey." Archives of internal medicine 171.13 (2011): 1183-1191.
  5. ↑1  ↑2McCance, R. A. and Widdowson, E. M. A study on the mineral depletion of the foods available to us as a nation over the period 1940 to 1991. Summary of 1st to 5th Edition\ The Chemical Composition of Foods", RSC/ MAFF, 2000.
  6. Alan D. Dangour, Sakhi K. Dodhia, Arabella Hayter, Elizabeth Allen, Karen Lock, and Ricardo Uauy. Nutritional quality of organic foods: a systematic review. The American Journal of Clinical Nutrition, 90(3):680{685, 2009.
  7. Millenium Ecosystem Assessment Panel 2005, Millenium Ecosystem Assessment, World Resources Institute, Washington, DC.
  8. Marschner, Horst. Marschner's mineral nutrition of higher plants. Academic press, 2011.
  9. Hossain, Akbar, et al. "Selenium biofortification: roles, mechanisms, responses and prospects." Molecules 26.4 (2021): 881.
  10. Schrauzer, Gerhard N., and Krishna P. Shrestha. "Lithium in drinking water and the incidences of crimes, suicides, and arrests related to drug addictions." Biological trace element research 25.2 (1990): 105-113.
  11. Memon, Anjum, et al. "Association between naturally occurring lithium in drinking water and suicide rates: systematic review and meta-analysis of ecological studies." The British Journal of Psychiatry 217.6 (2020): 667-678.
  12. Schrauzer, Gerhard N., and Edmond de Vroey. "Effects of nutritional lithium supplementation on mood: a placebo-controlled study with former drug users." Biological trace element research 40 (1994): 89-101.

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