Niels Schulz-Ruhtenberg

Die Langlebigkeitsforschung hat in den letzten Jahrzehnten bedeutende Fortschritte gemacht, wobei der Einfluss von Ernährung, Vitalstoffen und Supplementen auf die Gesundheit und Lebensdauer zunehmend in den Mittelpunkt rückt. Eine optimierte Ernährung, reich an spezifischen Mikronährstoffen und die gezielte Supplementierung könnten potenziell die Lebensspanne verlängern und die Lebensqualität im Alter verbessern.

Die Forschung hat verschiedene Ernährungsweisen identifiziert, die mit einer erhöhten Lebensspanne und einer Verringerung chronischer Krankheiten assoziiert sind. Besonders hervorstechende Ernährungsstile sind die mediterrane Diät und die Ernährungsweisen der Blue Zones.

Die mediterrane Ernährung

Die mediterrane Ernährung, reich an Obst, Gemüse, Vollkornprodukten, Hülsenfrüchten, Nüssen, Samen, Olivenöl und Fisch, wurde in der PREDIMED-Studie untersucht (Estruch 2018). Diese RCT-Studie untersuchte 7400 Spanier ohne KHK aber mit erhöhtem KHK-Risiko über knapp 5 Jahre. Unter einer mediterranen Ernährung, angereichert mit extra nativem Olivenöl oder Nüssen sank die Rate kardiovaskulärer Ereignisse inklusive kardiovaskulärem Tod um etwa 30% im Vergleich zur Low-Fat Kontrollgruppe. Diese Effekte waren unabhängig von BMI und LDL-Cholesterin. Die Ergebnisse unterstreichen die Bedeutung einer mediterranen Ernährungsweise für die Herzgesundheit und Langlebigkeit.

Die Ernährung in den Blue Zones

Die Blue Zones Studien, initiiert von Dan Buettner und unterstützt von National Geographic, bieten faszinierende Einblicke in die Lebensstile von Menschen, die in Regionen mit einer hohen Konzentration an Hundertjährigen leben. Die Menschen in den Blue Zones folgen keiner strikten Diät, sondern einem Lebensstil, der reich an pflanzlichen Lebensmitteln und arm an verarbeiteten Produkten ist, was zu ihrer bemerkenswerten Langlebigkeit beitragen dürfte.

Ernährung, körperliche Aktivität, soziale Einbindung und andere Lebensstilfaktoren wirken hier synergistisch zusammen.

Bei den Adventist Health Studien (AHS) handelt es sich um große Kohortenstudie, in denen seit den 1970er Jahren die Mitglieder der Siebenten-Tags-Adventisten in der Stadt Loma Linda in Kalifornien, einer amerikanischen Blue Zone untersucht werden. Es zeigen sich reduzierte Risiken für Herzkrankheiten, Bluthochdruck, Diabetes und bestimmte Krebsarten.

Außerdem haben diese Menschen eine signifikant höhere Lebenserwartung als der US-amerikanische Durchschnitt. Männer können bis zu 7-8 Jahre länger leben, Frauen bis zu 4-7 Jahre. Dies wird zurückgeführt auf die Kombination aus gesundem vor allem vegetarischen Ernährungsstil, körperlicher Aktivität, Vermeidung von Tabak und Alkohol, sozialer und geistiger Gesundheit sowie einem Schwerpunkt auf präventiven Gesundheitsmaßnahmen.

Kalorienrestriktion und Autophagie

Kalorienrestriktion, also die Reduzierung der Kalorienaufnahme ohne Mangelernährung, ist eine Methode, die in zahlreichen Studien mit einer Verlängerung der Lebensspanne und einer Verbesserung der Gesundheit in Verbindung gebracht wird. Die Forschung zu diesem Thema umfasst eine breite Palette von Organismen, einschließlich Hefen, Würmern, Fliegen, Mäusen und Ratten.

Kalorienrestriktion aktiviert die Autophagie, was zur Entfernung von beschädigten Zellbestandteilen führt. Dies trägt zur Reduzierung von Zellschäden und zur Verbesserung der Zellfunktion bei, was wiederum die Lebensdauer verlängern und das Risiko für altersbedingte Krankheiten verringern kann.

In der Praxis nutzen wir dieses Wirkprinzip beispielsweise durch Scheinfasten, basierend auf dem Fasting Mimicking Diet-Konzept des Altersforschers Prof. Valter Longo, wie wir in diesem Artikel beschrieben haben.

Substanzen, die diesen Effekt verstärken bzw. simulieren können werden als Caloric Restriction Mimetika (CRM) bezeichnet. CRM sind Substanzen, die die gesundheitlichen und lebensverlängernden Effekte der Kalorienrestriktion nachahmen sollen, ohne dass tatsächlich die Kalorienaufnahme reduziert werden muss. Diese Verbindungen wirken, indem sie die gleichen zellulären Signalwege und Mechanismen aktivieren, die durch eine kalorienarme Ernährung beeinflusst werden.

Der Einsatz von CR-Mimetika könnte eine Strategie sein, um die Vorteile der Kalorienrestriktion zu erzielen, insbesondere für Menschen, die eine strenge kalorienarme Diät bzw. Fasten schwer einhalten können. Erforscht (und zum Teil schon angewendet) werden diesbezüglich Substanzen wie Resveratrol und Spermidin sowie Medikamente wie Metformin und Rapamycin.

Die Bedeutung von Omega-3-Fettsäuren, Vitamin D und Antioxidantien

Die DO-HEALTH-Studie, geleitet von Prof. Heike Bischoff-Ferrari, ist eine der größten europäischen Studien, die sich mit den Auswirkungen von Vitamin D, Omega-3-Fettsäuren und einem einfachen Krafttraining zu Hause auf die Gesundheit von älteren Erwachsenen über 70 Jahren befasst. Die Studie verfolgte das Ziel, den individuellen und kombinierten Nutzen dieser Interventionen auf das Risiko invasiver Krebserkrankungen zu untersuchen.

Über einen Zeitraum von drei Jahren wurden 2.157 Teilnehmer beobachtet. Durch eine Kombination einer täglichen Vitamin D3-Supplementierung (2000 IE), Omega-3-Fettsäuren (1g EPA/DHA) und einem einfachen Heimkrafttrainingsprogramm (SHEP, 3x30 Min.) wurde das Krebsrisiko um 61% (NNT: 35 Personen) und das Risiko für frühzeitige Gebrechlichkeit um 39% reduziert.

In Untergruppen wurden weitere positive Effekte beobachtet, wie z.B. eine Senkung des Risikos von Infektionen um 11 Prozent durch Omega-3-Fettsäuren und eine Senkung des systolischen Blutdrucks bei Männern durch Vitamin D. Es handelt sich hier um vergleichsweise einfache und kostengünstige Präventionsmaßnahmen, die zur Verbesserung der Gesundheit und des Wohlbefindens älterer Erwachsener beitragen können.

In der klinischen TRIIM-Studie untersuchte der amerikanische Immunologe Prof. Fahy die Kombination von humanem Wachstumshormon (rhGH), Dehydroepiandrosteron (DHEA) und Metformin bei Männern zwischen 51 und 65 Jahren über einen Zeitraum von einem Jahr. Diese Kombination zielte darauf ab, die Thymusdrüse zu regenerieren und gleichzeitig potenzielle Nebenwirkungen des Wachstumshormons, wie z.B. eine Insulinresistenz, zu mildern.

Überprüft wurden die Effekte mit Hilfe sogenannter epigenetischer Uhren, u.a. mit der Horvath Clock von Professor Dr. Steve Horvath, einem der Pioniere der epigenetischen Altersbestimmung. Bei dieser Methode wird anhand der DNA-Methylierung das biologische Alter eines Menschen bestimmt.

Im Ergebnis zeigte sich eine Reduktion des biologischen Alters der Studien-Teilnehmer von durchschnittlich - 2,5 Jahren! Nach den Kriterien dieser epigenetischen Messungen ist es damit erstmals gelungen, den biologischen Alterungsprozess bei gesunden Erwachsenen nicht nur zu verlangsamen, sondern sogar umzukehren. Weitere Studien zur Überprüfung dieser Ergebnisse laufen derzeit.

Innovative Supplemente: NMN, NR und Spermidin

Auf molekularer Ebene rücken beispielsweise NMN (Nicotinamid-Mononukleotid) und NR (Nicotinamid-Ribosid) als NAD+-Vorläufer in den Vordergrund.

NAD+ (Nicotinamid-Adenin-Dinukleotid) ist ein entscheidender Kofaktor in allen lebenden Zellen, der an vielen Schlüsselprozessen, einschließlich des Energiestoffwechsels, der DNA-Reparatur und der Regulierung der Zellalterung, beteiligt ist. Mit dem Alter sinkt die NAD+-Konzentration im Körper, was zu verschiedenen altersbedingten Erkrankungen und abnehmender Zellfunktion beitragen kann (Gröber 2023).

NAD+ kann bisher nur als Infusion verabreicht werden und nicht oral als Supplement. NMN und NR können hingegen oral eingenommen werden und könnten dazu beitragen, die NAD+ Abnahme zu verlangsamen oder umzukehren. NMN und NR zeigen in Studien an Mäusen das Potenzial zur Umkehr altersbedingter metabolischer Dysfunktion (Mills 2016)

Eine Studie an einer kleinen Gruppe gesunder Japaner zeigte, dass die tägliche Einnahme von NMN sicher ist und potenziell die Biomarker, die mit der Insulin-Sensitivität zusammenhängen, verbessern kann (Irie J 2020). Es besteht Bedarf an weiteren, großangelegten und langfristigen klinischen Studien, um die potenziellen Gesundheitsvorteile, die optimale Dosierung und mögliche Nebenwirkungen von NMN und NR zu bestimmen.

Spermidin ist ein Polyamin, das natürlich in einigen Lebensmitteln vorkommt. Aktuelle Forschungen zu Spermidin am Menschen haben sich mit verschiedenen Aspekten seiner potenziellen gesundheitlichen Vorteile befasst (Zou 2022). Spermidin fördert Autophagie (Eisenberg 2009). Diskutiert werden auch antitumorale, anti-aging, anti-entzündliche Wirkungen, kardiovaskuläre und neuronale Schutzeffekte.

Der Zusammenhang zwischen der Spermidinaufnahme durch die Ernährung und der Mortalität wurde in einer prospektiven bevölkerungsbasierten Kohortenstudie untersucht (Kiechl 2018). Sie umfasste 829 Teilnehmer im Alter von 45-84 Jahren und fand heraus, dass eine höhere Aufnahme von Spermidin mit einer geringeren Allgemeinsterblichkeit assoziiert ist.

In der SMARTAGE-Studie der Charite Berlin zeigten sich Hinweise auf eine entzündungshemmende Wirkung durch eine Spermidin-Supplementierung (0,9 mg/Tag) und und eine verbesserte Gedächtnisleistung in der Subgruppe über 70-jähriger Männer sowie bei Männern mit subjektiv deutlichen kognitiven Beschwerden (Schwarz 2022). Auch hier laufen derzeit weitere Studien.

Schlussfolgerung

Die Kombination eines gesunden Lebensstils mit einer ausgewogenen beispielsweise mediterranen Ernährung, Fastenphasen, der Anreicherung mit spezifischen Mikronährstoffen und die gezielte Supplementierung stellt eine wirksame und alltagstaugliche Strategie zur Förderung der Langlebigkeit dar.

Die individuelle Anpassung von Ernährungs- und Supplementierungs-Strategien, unter Berücksichtigung der individuellen Gesundheitssituation, von Laborparametern und in Absprache mit medizinischen Experten, ist für die Nutzung der gesundheitlichen Vorteile unerlässlich (personalisierte Ernährungsmedizin).

Es ist wünschenswert, dass zukünftige klinische Studien das Wissen um die Wirksamkeit, Sicherheit und optimale Dosierung dieser Ansätze bestätigen und konkretisieren.

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Über den Autor:

Niels Schulz-Ruhtenberg ist Facharzt für Allgemeinmedizin, Ernährungsmedizin und Sportmedizin

Erfahren Sie mehr über Niels Schulz-Ruthenberg.

Hier erfahren Sie außerdem mehr über den zweiten Seminarleiter Dr. Dipl.-Psych. Matthias Wittfoth.

Literatur:

  • Fraser GE (2013), Vegetarian dietary patterns and mortality in Adventist Health Study 2, JAMA Intern Med.
  • Estruch R (2018), Primary Prevention of Cardiovascular Disease with a Mediterranean Diet Supplemented with Extra-Virgin Olive Oil or Nuts, New England Journal of Medicine
  • Büttner, Dan (2010), The Blue Zones: Lessons for Living Longer From the People Who've Lived the Longest, National Geographic
  • Bischoff-Ferrari HA (2022), Combined Vitamin D, Omega-3 Fatty Acids, and a Simple Home Exercise Program May Reduce Cancer Risk Among Active Adults Aged 70 and Older: A Randomized Clinical Trial. Front. Aging
  • Fahy GM (2019), Reversal of epigenetic aging and immunosenescent trends in humans. Aging Cell.
  • Gröber U (2023), NAD+– ein alter Bekannter aus den Anfängen der Orthomolekularen Medizin, OM – Zs. f. Orthomol.
  • Mills KF (2016), Long-Term Administration of Nicotinamide Mononucleotide Mitigates Age-Associated Physiological Decline in Mice, Cell Metab.
  • Irie J (2020): Effect of oral administration of nicotinamide mononucleotide on clinical parameters and nicotinamide metabolite levels in healthy Japanese men, Clinical Trial Endocr J.
  • Zou D (2022), A comprehensive review of spermidine: Safety, health effects, absorption and metabolism, food materials evaluation, physical and chemical processing, and bioprocessing, Compr Rev Food Sci Food Saf
  • Eisenberg T (2009), Induction of autophagy by spermidine promotes longevity, Nature Cell Biology
  • Kiechl S (2018), Higher spermidine intake is linked to lower mortality: a prospective population-based study, Am J Clin Nutr 2018
  • Schwarz C (2022), Effects of Spermidine Supplementation on Cognition and Biomarkers in Older Adults With Subjective Cognitive Decline: A Randomized Clinical Trial, JAMA